Der Totengarten
»Praktisch, so kann ich öfter mal hier vorbeifahren und ihn beobachten.«
»Erzählen Sie mir von ihm«, forderte Holiday ihn auf.
»Reginald Wilson. Er muss jetzt an die fünfzig sein.«
»Und er war Wachmann bei einem Sicherheitsdienst?«
»Zur Zeit der Morde, ja. Wir haben uns damals speziell für Männer interessiert, die wegen ihrer Uniform als Cops durchgehen konnten.«
»Und warum gerade er?«
»Nach dem dritten Mord haben wir alle Mitarbeiter von Wachdiensten befragt, die in der Gegend beschäftigt waren, und dann haben wir in einem zweiten Durchgang die noch einmal genauer unter die Lupe genommen, die in der näheren Umgebung der Opfer wohnten. Wilson war einer von denen, die ich persönlich befragt habe. Seine Augen haben mich stutzig gemacht, also habe ich Nachforschungen angestellt. Er war bei der Army zweimal für eine Weile im Bau gewesen, beide Male wegen Gewalttätigkeiten gegen Kameraden. Am Ende hat er es trotzdem zu einer ehrenhaften Entlassung gebracht, so konnte er sich beim MPD und bei der Polizei von P.G. County bewerben. Beide haben ihn abgelehnt. Seine Intelligenz war nicht das Problem – auf dem Gebiet hatte er gute Testergebnisse. Aber beim psychiatrischen Gutachten ist er durchgefallen.«
»So weit kann ich Ihnen folgen. Hoher IQ, verkorkste Persönlichkeit. Und dann will er der Polizei zeigen, dass sie einen schweren Fehler begangen hat, indem er ein paar Kids umbringt, oder wie?«
»Ich weiß, das ist ziemlich frei spekuliert«, räumte Cook ein. »Um die Wahrheit zu sagen, ich hatte keinerlei Beweise. Damals war er noch nicht einmal wegen Pädophilie aktenkundig. Ich hatte nur so ein Gefühl, dass mit diesem Burschen etwas nicht stimmte. Mir war, als hätte ich ihn schon einmal gesehen, vielleicht an einem der Leichenfundorte. Aber mein Gedächtnis war mir in dem Fall keine Hilfe. Und der Mörder ebenso wenig.
Denken Sie daran, es wurden keine Fasern an den Leichen gefunden, nicht einmal menschliche Haarfollikel oder Teppichfasern aus einer Wohnung oder einem Auto. Auch keine fremden Blutzellen. Keine Gewebespuren unter den Fingernägeln. Die Leichen waren absolut sauber, bis auf die Spermareste im Rektum. Und die konnten wir nicht zuordnen, weil es 85 noch keine DNA-Analyse gab.«
»Er hat also was von seinem Saft hinterlassen. Hat er auch was mitgenommen?«
»Sie sind ganz schön clever«, stellte Cook fest.
»Manchmal.«
»Bei allen drei Opfern war eine kleine Strähne vom Kopfhaar abgeschnitten worden. Der Täter hat Souvenirs gesammelt. Das war ein Detail, das wir nie an die Presse gegeben haben.«
»Waren Sie je bei ihm zu Hause?«
»Sicher, ich habe ihn dort befragt. Das Einzige, woran ich mich noch erinnere, ist, dass er fast keine Möbel, aber eine riesige Schallplattensammlung hatte. Alles Jazz, sagte er. Electric-Jazz, was immer das heißen mag. Mit solchem Mist habe ich mich nie anfreunden können. Ich mag Instrumentalmusik, aber doch bitte nur solche, zu der man auch tanzen kann.«
»Und wie ging es dann weiter?«, fragte Holiday, der allmählich die Geduld verlor.
»Einen Monat nach dem dritten Mord vergeht sich Reginald Wilson an einem dreizehnjährigen Jungen, der zu ihm an seinen Arbeitsplatz kommt, in ein Lagerhaus nicht weit von dem Apartmentgebäude, wo der Junge wohnt. Wilson wird angeklagt. Während er in D.C. in Untersuchungshaft sitzt und auf die Verhandlung wartet, nennt irgendein Typ ihn eine Schwuchtel oder so ähnlich, und Wilson erschlägt ihn mit bloßen Fäusten. Er konnte nicht mal auf Notwehr plädieren, also geht er gleich für richtig lange in den Knast. Im Bundesgefängnis ist er natürlich als Kinderschänder abgestempelt, und dann bringt er noch einen Mithäftling um, der mit einem Messer auf ihn losgegangen ist. So kommen zu der ursprünglichen Strafe noch einige Jahre dazu.«
»Und die Morde haben aufgehört, als er im Knast war.«
»Genau. Für mehr als neunzehn Jahre. Jetzt ist er gerade mal seit ein paar Monaten draußen, und schon geht es wieder los.«
»Möglich, dass er es tatsächlich ist«, räumte Holiday ein. »Aber das Einzige, was Sie wirklich wissen, ist, dass Wilson gewaltbereit ist und sich sexuell zu Kindern hingezogen fühlt. Von Pädophilie bis zum Mord ist es noch ein weiter Weg.«
»Es ist eine Art von Mord.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Trotzdem, im Grunde haben Sie nichts in der Hand. Es wird schwer sein, einen Durchsuchungsbeschluss für sein Haus zu erwirken. Selbst wenn wir noch bei der Polizei
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