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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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glaubte er verdammt nochmal felsenfest.
    Ramone durchquerte die Sporthalle, fing den Blick des Ausbilders, John Ramirez, auf und wartete, bis die letzten Rekruten in Richtung Umkleidekabine verschwunden waren. Ramirez, dem man ansah, dass er viel Zeit in dem Kraftraum zubrachte, begrüßte ihn mit einem flüchtigen Händedruck und kühlem Blick.
    »Hallo, Johnny.«
    »Hi, Gus. Na, gefällt dir dein neuer Job?«
    »So neu ist er ja gar nicht mehr.«
    »Ist bestimmt befriedigender, böse Jungs zur Strecke zu bringen als Kollegen, wie?«
    »Ich sehe da keinen Unterschied. Was falsch ist, ist falsch, wenn du verstehst, was ich meine.«
    Das war nicht die ganze Wahrheit. Ramone war immer bewusst gewesen, wie wichtig es war, Cops, die ihre Macht missbraucht oder kleinere Straftaten begangen hatten, zur Rechenschaft zu ziehen. Aber er wollte sich nicht von einem Typen wie Johnny Ramirez, einem Hitzkopf, der es vom Streifenpolizisten mit Persönlichkeitsproblemen zum Sporttrainer mit Dienstmarke gebracht hatte, wegen seines Intermezzos beim IAD herumschubsen lassen. Ramone hatte dort gelernt, wie man Ermittlungen führte, hatte seine Aufgaben kompetent, aber ohne persönliche Rachegelüste ausgeführt und die Erfahrung als Sprungbrett zum Morddezernat genutzt.
    »Nicht genau«, sagte Ramirez. »Nein, so ganz verstehe ich nicht, was du meinst.«
    Im Allgemeinen hatte Ramone keine Probleme mit seinen Kollegen gehabt, als er bei Internal Affairs arbeitete. Die meisten Cops wollten selbst keine Kollegen um sich haben, die nicht sauber waren, denn deren Machenschaften fielen schließlich auch auf die anständigen Kollegen zurück. Er hatte nie von anderen Uniformierten schräge Blicke geerntet, hatte nie Getuschel über das Rattenkommando gehört und nie erlebt, dass ein Polizist von seinem Barhocker aufstand, wenn er an den Tresen kam. Das IAD war ein notwendiger Bestandteil der Polizeibehörde, und die meisten Cops akzeptierten das. Ramirez war ein ehemaliger Saufkumpan von Holiday, und er mochte Ramone wegen der alten Geschichte mit seinem Freund nicht.
    »Hör zu, ich will dich nicht lange aufhalten. Mich würde nur interessieren, ob du Dan Holiday in letzter Zeit mal gesehen hast. Falls ihr beide noch befreundet sein solltet …«
    »Ja, ich habe ihn gesehen. Warum?«
    »Ich möchte gern mit ihm reden. Es geht um eine Privatangelegenheit.«
    »Oh, eine Privatangelegenheit. Tja, dann … Er betreibt einen Fahrservice; vielleicht hilft dir das weiter.«
    »Das habe ich schon gehört.«
    »Seine Telefonnummer habe ich nicht. Aber die findest du ja leicht heraus.«
    »Okay, Johnny. Danke.«
    »Falls ich ihm mal über den Weg laufe – soll ich ihm sagen, dass du nach ihm suchst?«
    »Nein, lieber nicht. Ich will ihn überraschen.«
    Ramone war natürlich klar, dass Ramirez Holiday auf der Stelle anrufen würde. Genau deshalb hatte er sich an Ramirez gewandt. Holiday sollte sich die Angelegenheit in Ruhe durch den Kopf gehen lassen, bevor Ramone auf ihn zukam. Auf diese Weise würden sie sich das Geplänkel sparen können und gleich zur Sache kommen.
    »Dann mach’s mal gut, Ramirez.«
    Ramone traf Rhonda am Treppenabsatz, vor einer Wand mit gerahmten Fotografien von MPD-Officers, die im Dienst getötet worden waren. Sie stand gerade vor dem Bild eines sympathischen jungen Polizisten, den sie gut gekannt hatte, als sie beide noch Uniform trugen. Er war bei einer Verkehrskontrolle, einer scheinbaren Routineüberprüfung, erschossen worden. Rhonda hatte die Augen geschlossen, und Ramone erriet, dass sie im Stillen für ihren Freund betete. Er wartete, bis sie sich zu ihm umdrehte. Sie schien nicht überrascht, als sie ihn sah.
    »Hast du erfahren, was du von Ramirez wissen wolltest?«, fragte Rhonda.
    »Officer Ramirez hat mir gerade erzählt, wie sehr er meine Arbeit bei Internal Affairs bewundert hat.«
    »Du willst es mir also nicht sagen.«
    »Ach, warum eigentlich nicht – ich habe ihn nur zu einem Date eingeladen. Eine Flasche Limonade und zwei Strohhalme oder so.«
    »Verstehe. Wie auch immer, ich muss jetzt zurück ins Büro, ein bisschen die Hintergründe von unserem Dominique erforschen.«
    Ramone sagte, er werde sie hinfahren.

    Der Violent Crime Branch des MPD hatte seine Dienststelle in Southeast, weil dies die Gegend von D.C. war, in der die meisten Morde geschahen. Die anderen Spezialdezernate, wie Sitte, Sexualdelikte und Häusliche Gewalt, waren überwiegend im selben Komplex untergebracht wie das

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