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Der Totengarten

Der Totengarten

Titel: Der Totengarten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Pelecanos
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Polizeihauptquartier, an der Indiana Avenue 300 in Northwest. Ramone setzte Rhonda auf dem Parkplatz des VCB ab, stieg in seinen Tahoe um, fuhr dorthin und ging zielstrebig zu den Räumen des Cold Case Squad, des Dezernats für »kalte« Fälle.
    Ungelöste Mordfälle wurden nach drei Jahren vom VCB an Cold Case übertragen. Manche Polizisten vom Morddezernat betrachteten die Arbeit der Cold Case Detectives abschätzig, denn wenn einer dieser alten Morde doch noch »gelöst» wurde, hatte das meist wenig mit ermittlerischem Scharfsinn oder Forensik zu tun, sondern mehr mit Kriminellen, die im Verhör wegen anderer Delikte unerwartet Informationen preisgaben, weil sie auf eine mildere Strafe hofften. Dieselben Detectives vom Morddezernat, die fanden, die Kollegen von Cold Case hätten ihre Aufklärungsquote nicht verdient, verdrängten dabei, dass die meisten »heißen« Mordfälle auf ähnliche Weise gelöst wurden.
    Ramone hatte keine solchen Vorbehalte. Die Mitarbeiter von Cold Case waren nicht die schicken, sonnenbebrillten Aufreißertypen mit gestählten Körpern, die man im Fernsehen sah, sondern eher Familienväter und -mütter mittleren Alters mit Bauchansatz und Kreditkartenschulden, die ihre Arbeit taten – genau wie die Kollegen vom VCB. Im Laufe der Zeit hatte er schon mit einigen von ihnen zu tun gehabt.
    Er traf Detective James Dalton an seinem Schreibtisch an. Ramone hatte Dalton mehr als einen Gefallen getan und hoffte nun, dass dieser sich revanchieren würde. Dalton war hager und grauhaarig, weiß mit chinesischen Augen. Er war im nördlichen Montana aufgewachsen und in den 70ern nach D.C. gekommen, um Sozialarbeiter zu werden. Stattdessen war er bei der Polizei gelandet. Er sagte gern, er sei von einer Kleinstadt in die andere gewechselt, als er nach Washington übersiedelte. »Mehr Leute, dieselbe Mentalität.«
    »Danke, dass du das für mich tust«, sagte Ramone.
    »Wir hatten die Akte ohnehin schon rausgesucht«, erwiderte Dalton. »Momentan warten wir noch den Bericht des Leichenbeschauers ab, ehe wir entscheiden, ob wir uns einschalten. Du bist nicht der Einzige, dem die Parallelen aufgefallen sind.«
    »Wenn man lange genug dabei ist …«
    »Eben. Die Akte liegt da drüben auf dem Tisch. Ganz schön dickes Ding.«
    »Das hat sie auch gesagt.«
    »Wie?«
    »Nur ein blöder Witz.«
    »Du leitest doch nicht die Ermittlungen, oder?«
    »Nein, es ist Garloo Wilkins’ Fall«, erwiderte Ramone. »Aber ich kannte den Toten. Ein Freund von meinem Sohn. Hast du was dagegen, wenn ich mir die Unterlagen ansehe und mir ein paar Notizen mache?«
    »Tu dir keinen Zwang an. Ich muss jetzt los.«
    Perfekt, dachte Ramone.
    In den nächsten zwei Stunden las Ramone die umfangreiche Akte zum Fall der Palindrom-Morde. Neben den offiziellen Polizeiberichten waren auch Zeitungsausschnitte aus der Washington Post und ein langer historischer Artikel aus dem Washington City Paper archiviert. Er hatte freie Hand, da Dalton das Büro verlassen hatte, also nutzte Ramone die Gelegenheit und machte – gegen alle Vorschriften – Kopien von allem, was ihm wichtig erschien. Er legte sie in eine leere braune Aktenmappe, die praktischerweise auf Daltons Schreibtisch lag, klemmte sie unter den Arm und ging wieder hinaus zu seinem Tahoe.
    Ehe er losfuhr, wählte er Wilkins’ Handynummer.
    »Hi, Bill. Ich bin’s, Gus.«
    »Was gibt es?«
    »Ich denke, du solltest dem Leichenbeschauer sagen, dass er bei Asa Johnsons Autopsie auch auf Sexualdelikte hin untersucht.«
    »Das ist sowieso Standard.«
    »Ruf trotzdem an und vergewissere dich, dass es gemacht wird.«
    »Warum?«
    »Gründlichkeit kann nie schaden.«
    »Stimmt.«
    »Heute irgendwas Neues?«
    »Ich habe mit der Direktorin von Asas Schule gesprochen. Mit dem Vater habe ich allerdings so meine Probleme. Ich wollte mir Asas Zimmer ansehen, aber Terrance Johnson hat darauf bestanden, dass du es zuerst machst.«
    »Du musst entschuldigen, Bill, es ist nur – sie kennen mich eben schon seit Jahren. Ich wollte ohnehin nachher nochmal da vorbeischauen, dann werde ich das klären.«
    »Das ist mein Fall, Gus.«
    »Selbstverständlich. Ich muss heute Nachmittag noch ein paar Gespräche führen. Wir können uns unterhalten, wenn ich zurück bin.«
    »Okay, mach’s gut.«
    Ramone beendete das Gespräch. Er sah keinen Grund, die mögliche Verbindung zu einer alten, ungeklärten Mordserie zu erwähnen. Er sagte sich, das würde Garloo nur irritieren.
    Ramone machte sich auf den

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