Der Totengräber (Horror-Roman) (German Edition)
zum Grab seines Vaters machen. Er stand vor dem Grabstein und faltete die Hände. Vielleicht bist du ja hier irgendwo und hörst meine Gedanken!
Brad sah auf und blickte zu dem wie ein großer dunkler Schatten aufragenden Gemäuer hinüber, in der er jetzt mit seiner Mutter wohnte. Im Obergeschoss brannte Licht.
Brad brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass dieses Licht aus seinem Zimmer kam!
Hat Mom es angemacht?, ging es ihm durch den Kopf. Aber da trat plötzlich eine Gestalt an das halb offene Fenster, schob es hoch und stützte sich auf die Fensterbank, um sich etwas hinauszulehnen. Diese Gestalt war nur als Schattenriss zusehen, aber ihre Schultern waren eindeutig zu breit, um einer Frau zu gehören. Außerdem hätte Mom schon wegen der Mücken niemals bei Dunkelheit das Fenster geöffnet und gleichzeitig das Licht angelassen.
Ein eisiger Schrecken durchfuhr Brad.
Doch dann ahnte er, wer das sein könnte.
Dad?
Seine nur in Gedanken gestellte Frage blieb unbeantwortet.
*
Brad verließ den Friedhof und lief hinüber zum Haus. Zuerst wollte er einfach den normalen Weg durch die Tür nehmen und so schnell wie möglich nach oben in sein Zimmer stürmen, aber dann entschied er sich dagegen.
Was, wenn es sich nicht um den Geist seines Vaters handelte, den er dort oben gesehen hatte, sondern um eine der beiden Typen, die bei dem Totengräber gewesen waren?
Das ist absurd! Dieser Smith hat den Geist deines Vaters doch schon vor ein paar Tagen beschworen – warum sollten die Kerle mit dem Einbruch so lange warten. Mal davon abgesehen, dass sie doch mit der Malcolm Villa ein viel lohnenderes Ziel besitzen?
Brad überlegte kurz.
Wenn er die Eingangstür nahm, würden die Fußbodenbretter im Eingangsbereich und die Treppe knarren. Wer immer sich auch in seinem Zimmer befand, wäre gewarnt gewesen.
Und einfach zum Handy greifen und den Sheriff aus dem Bett zu klingeln, erschien Brad ebenfalls wenig sinnvoll. Was sollte er Sheriff Grey sagen, wenn es sich tatsächlich um den Geist seines Vaters handelte, der sich – wie üblich – einfach verflüchtigte? Sheriff Grey würde ihm beim nächsten Mal wahrscheinlich nichts mehr so einfach glauben.
Brad ging durch den wilden, ungepflegten Garten. Fast lautlos stapfte er durch das hohe Gras.
Am Haus fand er eine Leiter. Die stellte er gegen die Wand. Auf diese Weise konnte er bis zu einem Dachvorsprung gelangen, über den man dann zu seinem Zimmer gelangen konnte.
Vorsichtig stieg er empor. Das Licht brannte immer noch und warf einen matten Schein nach außen. Brad bewegte sich vorsichtig, nur um ja keinen Laut zu verursachen. Er erreichte den Dachvorsprung. Die Pfannen waren rutschig, aber er schaffte es, nahezu lautlos bis zum Fenster zu kriechen.
Die Scheibe war hochgeschoben.
Er hob den Kopf, blickte ins Innere des Zimmers.
Da stand ein Mann, der ihm den Rücken zuwandte und zur Tür blickte.
„Dad!“, flüsterte Brad.
Der Mann drehte sich um. Es war tatsächlich sein Vater. Die gleichen Gesichtszüge, die gleiche Art, sich zu bewegen. Das gleiche Lächeln. Der Mund bewegte sich. Er streckte die Arme aus.
„Brad! Ich möchte dir…“
Die Stimme wurde schnell leiser, so als ob jemand sie mit einem unsichtbaren Lautstärkeregler einfach herunterdämpfte. Der Mund bewegte sich zwar noch, aber es war nichts mehr zu verstehen.
„Dad!“
Brad stieg durch das Fenster, wollte auf die ausgestreckten Arme seines Vaters zulaufen, aber die Erscheinung verblasste, bevor er richtig über die Fensterbank gestiegen war.
Im nächsten Moment war der Geist seines Vaters verschwunden.
*
Brad war ziemlich konsterniert.
Was hatte der Geist von ihm gewollt? Was war so wichtig, dass er immer wieder versuchte, an ihn heranzutreten? Wovor wollte er ihn warnen?
Brad schloss das Fenster.
Er hörte ein durchdringendes, summendes Geräusch.
Na großartig! Jetzt sind auch noch Mücken im Zimmer!, ging es ihm ärgerlich durch den Kopf.
Im Flur hörte er Schritte.
Jemand hatte das Schlafzimmer seiner Mutter verlassen, so schätzte Brad. Die Fußbodenbretter knarrten. Dann war es wieder still.
Brad öffnete die Tür und blickte sich um. Es hatte jemand im Flur des Obergeschosses Licht gemacht.
Brad ging zur Treppe. Unten war jetzt auch Licht.
„Mom?“
Keine Antwort. Er ging die Treppe hinunter und fand sie wenig später im Wohnzimmer. Sie hatte die Münzsammlung seines Vaters aus dem Schrank genommen und betrachtete sie.
„Mom?“
Sie zuckte regelrecht
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