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Der Totenleser

Der Totenleser

Titel: Der Totenleser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Garrido
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Grauen und wusste, dass es ihm ein Fest sein würde, mich anzuklagen.«
    »Und die Sache mit dem Parfüm?«, fragte Ming. »Nach allem, was ich in der Verhandlung gehört habe, wurde das Parfüm verwendet, um den Verdacht auf Blaue Iris zu lenken. Doch wenn der Mörder ihr Ehemann war, welches Interesse konnte er daran haben? Soweit ich weiß, liebte Feng seine Frau.«
    »Obwohl ich es nicht mit letzter Sicherheit weiß, gehe ich davon aus, dass Kan dafür verantwortlich war. Ich denke, es wäre ein Fehler, den Strafrat für vollkommen unschuldig zu halten, nur weil er am Ende ermordet wurde. Wie es scheint, hatte Kan einst um die Hand von Blaue Iris angehalten, und die Demütigung, die er durch ihre Abweisung erfuhr, muss in ihm einen solchen Groll ausgelöst haben, wie sie selbst ihn gegenüber dem Kaiser empfand. Ich glaube, dass Kan etwas suchte, um sie in die Enge zu treiben. Er hatte Zugang zu der Jade-Essenz, und ich vermute, dass er die Leichen mit ein paar Tropfen davon versah, nachdem man sie gefunden hatte.«
    »Wie seltsam! Feng schien so ein kultivierter Herr zu sein. Ich verstehe nicht, welche Motive ihn dazu getrieben haben, derart grausame Verbrechen zu verüben.«
    »Wie soll man das verstehen? Feng war ein Besessener … Bo erzählte mir, dass der mongolische Diener Fengs nach seiner Festnahme gestand, die Morde zusammen mit seinem Herrn begangen zu haben. Dem Mongolen zufolge hat der Richter aus Geldgier gehandelt – und aus fanatischer Liebe zu seiner Frau.«
    »Aus Geldgier? Aber Feng war doch reich. Der Salzhandel seiner Frau …«
    »Laut Bo liefen die Geschäfte seit einer Weile nicht gut. Wegen der Grenzkonflikte hatte Kaiser Nin Zong die Handelsbeziehungen zu den Jin, Fengs besten Kunden, abgebrochen. In Wirklichkeit stand er vor dem Ruin.«
    »Aber was gewann Feng durch die Morde?«
    »Geld und Macht. Vergesst nicht, dass Feng die Geschäfte in die Hand nahm, die vorher Blaue Iris geleitet hatte, und dass seine schlechte Führung sie in den Ruin getrieben hat. Soweit ich erfahren habe, begann Feng seine Beziehung mit Blaue Iris, während mein Vater noch für ihn arbeitete, und obwohl er die Beziehung wegen ihres Status als Nüshi geheim hielt, übernahm er schon damals die Leitung ihrer Geschäfte. Seine letzten Mittel verwendete Feng dann darauf, das Geheimnis einer tödlichen Waffe teuer an unsere Feinde zu verkaufen. Vielleicht stellte Feng sich in seinem Delirium vor, nach einem hypothetischen Sieg der Jin den gesamten Salzhandel des Reiches unter seine Kontrolle zu bringen. Doch all das ist nichts weiter als Spekulation. Bo und einige andere Richter untersuchen den Fall weiter …«
    »Aber wie konnte Feng auf das Geheimnis einer so tödlichen Waffe stoßen?«
    »Das habe ich mich auch gefragt, und ich glaube, dass die Antwort bei Blaue Iris liegt. Ihr Vorfahre Yue Fei war einer der berühmtesten Generäle unseres Reiches und ein Pionier im militärischen Gebrauch des Pulvers. Ich habe in Fengs Arbeitszimmer eine Kopie des Ujingzongyao gefunden, einer Abhandlung über militärische Techniken, in der die Grundlagen der Verwendung von Schießpulver beschrieben sind.«
    »Und all das für eine schöne Frau … Eine Frau, die ihn am Ende betrog.«
    Ci schwieg verlegen.
    »Eine Frau, die mich gerettet hat«, sagte er dann und erhob sich. Er sehnte sich danach, Blaue Iris wiederzusehen. Ein Spaziergang an der frischen Luft würde seinem geschundenen Körper und seiner verletzten Seele sicher guttun.
    Gestützt auf den Gehstock von Blaue Iris verließ er die Akademie in Richtung des Seerosenpavillons.
    Als er die Mauer erreichte, freute er sich, dass das Siegel, das Kan ihm gegeben hatte, noch immer seine Funktion als Passierschein erfüllte. Er durchquerte mühsam die Gärten, bis er die Residenz von Blaue Iris erreichte.
    Unterwegs malte er sich das Wiedersehen mit ihr aus. Er wollte ihr danken, ihr sagen, dass er nie an ihr gezweifelt hatte, ihr zeigen, dass er sie liebte. Doch als er sich dem Gebäude näherte, überkam ihn plötzlich eine düstere Vorahnung.
    Der Pavillon war von Dutzenden Wachen umstanden. Als Ci die Treppe zum Eingang erreicht hatte, trat Bo aus dem Gebäude.
    »Was ist passiert?«, fragte Ci keuchend.
    »Es geht um Blaue Iris. Sie ist verschwunden, entgegen dem Befehl des Kaisers.«
    »Verschwunden? Was heißt das?« Ci schob Bo zur Seite und betrat das Haus.
    Ungläubig hinkte er durch die Räume. Überall lagen achtlos verstreut Gegenstände und Kleidung auf dem

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