Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Maß an Freiheit. Er bezahlte sie sogar und ließ ihnen außerhalb seiner Ländereien ein kleines Dorf bauen. Natürlich hatte er seine Gründe dafür. Nachts praktizierten die Sklaven ihre Religion.«
»Voodoo?«, fragte Max und nannte damit eines von vier Stichwörtern, die ihm zu Haiti einfielen: Papa und Baby Doc, Voodoo, und die Tatsache, dass die Insel nur hundert Meilen von Miami entfernt lag.
»Nein. De Villeneuves Sklaven praktizierten schwarze Magie, eine Reihe von Ritualen, bei denen Menschenopfer dargebracht und böse Geister heraufbeschworen wurden. Der Hohepriester des Sklavendorfes war ein Mann namens Boukman. Es hieß, er verfüge über alle möglichen übernatürlichen Kräfte, unter anderem konnte er weit in die Zukunft schauen. Für seine Vorhersagen benutzte er Spielkarten.
De Villeneuve war bei den Zeremonien dabei, sowohl als Teilnehmer als auch als Maler. Er und Boukman waren Freunde, und sie dienten dem gleichen Herrn. De Villeneuve entwarf einen eigenen Kartensatz für Boukman.«
»Und das ist der Ursprung des berühmten Fünftausend-Dollar-Decks?«, fragte Max.
»Richtig. Aber es heißt, dass im Grunde nicht de Villeneuve die Karten entworfen hat, sondern Luzifer selbst. Angeblich tragen alle Karten unten links in der Ecke seine Signatur: einen fallenden Stern, der seinen Sturz aus Gottes Gnaden symbolisiert. Und die Karten sind im Grunde nur für diejenigen bestimmt, die ihm folgen oder zumindest mit seinen Wegen vertraut sind. Ich kann dazu nichts sagen, weil ich die Karten bisher nur auf Fotos gesehen habe, und das waren keine Nahaufnahmen.«
Beide beugten sie sich über die Karte auf den Fotos aus der Rechtsmedizin, aber die war an allen vier Ecken von der Magensäure angegriffen.
»Was ist aus de Villeneuve geworden?«
»Er hat bis 1805 in Haiti gelebt, dann ist er wieder verschwunden. Und dieses Mal für immer. Niemand weiß, was mit ihm geschehen ist.
Boukman hat im Jahr 1791 den ersten Sklavenaufstand gegen die Kolonialherren angeführt – eine sehr blutige und brutale Rebellion. De Villeneuve und sein Eigentum blieben natürlich unangetastet. Boukman wurde schließlich von den Franzosen gefasst und hingerichtet, doch der Aufstand ging weiter und wurde von Touissant L’Ouverture zu einer klugen militärischen Kampagne ausgebaut. 1804 hat Haiti seine Unabhängigkeit erklärt.
Man weiß, dass de Villeneuve mit vielen, vielen Sklavinnen Kinder gezeugt hat, darunter auch einige mit Boukmans Schwester: sechs an der Zahl, alles Zwillinge. Viele seiner Nachfahren leben noch heute in Haiti oder in der Schweiz, wo jedes Jahr im Oktober die Karten hergestellt werden – im gleichen Monat, in dem sie entworfen wurden.«
»Okay, und diese Karte vom König der Schwerter: Was glauben Sie, hatte die im Magen eines Menschen zu suchen?«
»Was hat dieser Mensch gemacht?«, fragte Phyllis.
Max erzählte ihr von Lacour.
»Hört sich an, als wäre er besessen gewesen oder hätte unter einem Zauber gestanden, dass er so etwas tun konnte«, sagte Phyllis. »Genau wie Kathleen, Gott sei ihrer Seele gnädig.«
Max schaute auf die Uhr. Es war schon nach neun.
Er fragte Phyllis nach Geschäften, in denen man Tarotkarten kaufen konnte. Sie hatte eine Liste von Lieferanten und Großhändlern und ging los, um ihm eine Kopie zu machen.
Sie kam mit drei Blättern zurück. Er dankte ihr für ihre Hilfe und ihre Zeit. Sie begleitete ihn nach draußen.
Als sie sich zum Abschied die Hand gaben, bemerkte Max, dass sich ihr Gesichtsausdruck von freundlich zu ängstlich wandelte.
»Ich weiß, dass Sie noch nicht an diese Dinge glauben, Detective, aber ich muss Sie bitten, sehr vorsichtig zu sein«, sagte sie mit ernster Stimme. »Sie begeben sich da auf eine dunkle Straße. Es wird eine sehr gefährliche Reise – nicht nur für sie, sondern auch für die Menschen, die ihnen nahestehen, die ihnen besonders am Herzen liegen.«
»Und wo endet sie, diese Straße?«, fragte Max.
»Die Frage ist nicht wo, sondern wie«, sagte sie und bedachte ihn mit einem letzten besorgten Blick.
»Könnten Sie da etwas genauer werden?«
Sie schüttelte den Kopf und ging eilig davon, zurück ins Motel.
29
Früh am nächsten Morgen fuhr Max zur Hauptwache der Polizei von Miami-Dade und ging in die Bibliothek. Im Mikrofichearchiv suchte er nach Artikeln über den Selbstmord von Kathleen Reveaux. Er fand die Schlagzeile auf der Titelseite des Herald vom Donnerstag, dem 11. Mai 1978. Reveaux war am frühen
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