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Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Titel: Der Totenmeister: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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dunkelhäutige Frau mit wilder, ungekämmter schlohweißer Mähne und weißen, buschigen Augenbrauen lugte hindurch und musterte ihn von oben bis unten.
    »Und da kommen Sie jetzt? Ich hab euch vor einem Monat angerufen. Wieso ist denn nie einer hier gewesen?« Ihre Stimme war ein Krächzen, das so tief in ihrer Kehle steckte, dass es kaum den Weg in ihren Mund schaffte.
    »Das kann ich Ihnen nicht sagen, Ma‘am, aber jetzt bin ich ja da. Ist Madeleine Cajuste Ihre Nachbarin?«
    »Ganz recht. Und ich habe sie seit Ostern nicht mehr gesehen, hab ich der Polizeifrau am Telefon ja schon gesagt.«
    Der Rottweiler kläffte weiter, und auch im Haus wurde munter geknurrt und gebellt – ein ganzer Chor. Sie hatte mindestens ein halbes Dutzend Hunde da drin. Joe sorgte sich kurz um deren Wohlergehen und das der alten Dame, aber deswegen war er nicht hier, und so ließ er den Gedanken an seinem Gewissen vorbeiziehen.
    Die alte Frau trat aus dem Haus auf die behelfsmäßigen Treppenstufen aus Ytong-Steinen und zog die Tür hinter sich zu. Sie war barfuß und trug ein lavendelfarbenes Nachthemd, das ihr bis zu den Fußknöcheln reichte. Der Stoff war dünn und fadenscheinig, fast durchsichtig. Joe konnte sehen, dass sie darunter nackt war, und hätte ihr am liebsten sein Jackett umgelegt, um sie zu bedecken, aber ihr selbst war ihr Zustand offensichtlich egal, und so ließ er auch diesen Gedanken wieder ziehen.
    »Sie haben sie am 30. April als vermisst gemeldet, richtig?«, fragte Joe mit lauter Stimme, um das Gekläffe zu übertönen. Die Frau warf dem Hund einen strengen Blick zu und schnippte mit den Fingern, und er verstummte sofort.
    »Ganz recht. Sonst habe ich sie jeden Tag draußen gesehen, wenn sie mit dem Kind gespielt hat.«
    »Sie hatte ein Kind?«
    »Das war nicht ihres. Sie hat mir gesagt, es gehörte diesem Mann, der bei ihr wohnte.«
    »Wie hieß dieser Mann?«
    »Sauveur. Sie meinte, er heißt Sauveur. Bedeutet wohl ›Erlöser‹ auf Haitianisch. Die stammen von Haiti, die beiden.«
    »Die beiden waren also nicht verheiratet?«
    »Sie hat immer gesagt, mein Mann. Ob die verheiratet waren oder nicht, darüber haben wir nicht gesprochen.«
    »Wann haben Sie die drei zum letzten Mal zusammen gesehen?«
    »Das war ein Sonntag. Morgens. Ich glaube, die waren auf dem Weg zur Kirche.«
    »Warum?«
    »Weil die alle so fein rausgeputzt waren. Wie man das macht, wenn man in die Kirche geht. Gehen Sie in die Kirche?«
    »Ich? Ja, natürlich. Jeden Sonntag, Ma‘am.« Joe lächelte. »In welche Kirche sind sie gegangen?«
    »Woher soll ich das wissen? Genau genommen weiß ich nicht mal mit Sicherheit, ob sie überhaupt hingegangen sind. Die sind ja von Haiti, diese Leute, wissen Sie. Nach allem, was man so hört, fressen die da noch Menschen.«
    Joe musste sich das Lachen verkneifen. »Hatten sie das Kind dabei, als sie an jenem Tag aus dem Haus gegangen sind?«
    »Ich meine ja. Ich hab aber auch nicht so richtig hingeguckt, wissen Sie. Aber ohne das Würmchen wäre sie nicht aus dem Haus gegangen.«
    »War das Würmchen ein Junge oder ein Mädchen?«
    »Ein kleiner Junge. Ganz süßer Kleiner. Hat mich immer angelächelt – und meine Hunde auch.«
    »War noch jemand dabei, als sie gegangen sind?«
    »Nur der Mann, der den Wagen gefahren hat.«
    »Welchen Wagen?«
    »So einen glänzenden, in Schwarz. Ganz schick und lang, wie man die bei Beerdigungen hat.«
    »Wie sah der Fahrer aus?«
    »Ich habe keinen Fahrer gesehen. Ich nehm nur an, dass da einer war, weil die nämlich alle hinten eingestiegen sind. Und von selber fährt kein Auto – noch nicht.«
    »Wissen Sie, ob danach noch mal jemand hier war?«
    »Außer Ihnen war da keiner. Wieso haben Sie überhaupt so lange gebraucht? Ist ganze vier Wochen her, dass ich angerufen habe.«
    »Wir haben sehr viel zu tun, Ma‘am«, sagte Joe. »Es tut mir leid.«
    »Sie glauben, ihr ist was Schlimmes passiert, wie? Sonst wären Sie doch jetzt nicht hier.«
    »Ich hoffe nicht, Ma‘am. Das ist nur eine Routinebefragung. Miss Cajuste ist vielleicht nur umgezogen. Hatten die beiden oft Besuch? Gab es Leute, die regelmäßig zu ihnen gekommen sind?«
    »Nein. Aber eine Zeitlang hat Madeleines Bruder mal bei ihr gewohnt.«
    »Ihr Bruder? Wie heißt der?«
    »John oder Gene oder so ähnlich.«
    »Wie sieht er aus?«
    »Ich hab den nie zu Gesicht gekriegt. Ich hab nur gehört, dass er da war, sie hat es mir erzählt.«
    »Wann ist er wieder ausgezogen?«
    »Das ist schon lange her.

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