Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Kinder, um zu sehen, was da los war.
    »Hat Neptune mit jemandem zusammengelebt?«
    »Klar. Mit Crystal. Seiner Freundin.« Er lächelte träge. Sie hatte ihm gefallen, dem Insulaner – wahrscheinlich war er deshalb nicht mit Neptune befreundet gewesen war, dachte Joe: Eifersucht. Joe ging so weit zu vermuten, dass Neptune den Insulaner gewarnt hatte, die Finger von seiner Frau zu lassen.
    »Erzählen Sie mir von Crystal – hat sie auch einen Nachnamen?«
    »Danach hab ich sie nie gefragt.«
    »Wie sieht sie aus?«
    Wieder lächelte er. Er hatte gelbe Tabakflecke auf den Zähnen. »Echter Hingucker«, sagte er. »Figur und so.«
    »Echter Hingucker, Figur. Und so. Sehr gute Beschreibung.« Joe tat einen Schritt auf ihn zu. »Größe?«
    »Ungefähr so groß wie ich. Und einen hammermäßigen Arsch in der Hose. Genau mein Ding.«
    »War sie Haitianerin?«, fragte Joe, als ihm klar wurde, dass er auf die Frage nach ihrem Gesicht nur eine Standardbeschreibung der schwarzen Schönheit bekommen würde. Genauso beschrieb auch Max drei Viertel seiner Eroberungen und Flammen.
    »Nein, ich glaube, sie war Dominikanerin. Hat nur Spanisch gesprochen.«
    »Haben die beiden Kinder?«
    »Nein.«
    »Besucher?«
    »Ab und an mal eine Party, die ging dann die ganze Nacht.«
    »Waren Sie da?«
    »Nein.«
    »Haben Sie hier mal einen großen, dicken Mann mit Hut rumlaufen sehen?«
    »Nein.« Er schüttelte den Kopf.
    »Wie heißen Sie?«
    »Warum?«
    »Nur so.«
    »Arthur Jones.«
    »Wie lange wohnen Sie schon hier, Arthur?«
    »Im Mai waren es zwei Jahre.«
    »Und Neptune?«
    »Genauso lang. Wir sind ungefähr zur gleichen Zeit eingezogen.«
    »War er mit irgendwem hier im Haus befreundet?«
    »Das ganze Haus hat ihn gekannt, Mann. Er hat allen Leuten die Haare geschnitten.«
    »Ihre auch?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Wieder lächelte Arthur Jones.
    »Haben Sie sie gevögelt?«
    »Jede Nacht. Im Traum«, sagte er.
     
    Emmanuel Polk war gerade dabei, einen von drei Stühlen in seinem Friseurgeschäft abzuputzen, als Joe hereinkam und sich vorstellte.
    »Ja, Neptune hat hier gearbeitet«, sagte er. »Ich war es, der die Polizei angerufen hat, als er am Montag nicht zur Arbeit kam. In den achtzehn Monaten, die er für mich gearbeitet hat, war er immer pünktlich und ist immer bis zum Schluss geblieben und hat mir beim Saubermachen geholfen. Er war ein Musterangestellter, wie man so schön sagt.«
    »Hatten Sie schon Besuch von der Polizei?«
    »Natürlich.« Er las von der Visitenkarte vor, die in den Rahmen des Spiegels vor dem Stuhl geklemmt war, den er gerade abputzte. »Detective Matt Brinkley.«
    »Richtig.« Joe nickte. Er war nicht weiter überrascht, dass man den schlechtesten Mann der ganzen Vermisstenabteilung nach Liberty City geschickt hatte. Brinkley würde den Schnee in Alaska nicht einmal dann finden, wenn man ihn mit der Nase darauf stieß. Seine Spezialität war es, alten Damen über die Straße zu helfen.
    Der Friseurladen war klein und eng, zwei Stühle auf der rechten, einer auf der linken Seite, rechts daneben eine Bank für Kunden, die warten mussten. An den Wänden hingen Fotos von Kareem Abdul-Jabbar, O.J. Simpson, Jim Brown, Bernie Casey, Leon Isaac Kennedy und Carl Weathers als Apollo Creed.
    »Wann haben Sie Neptune das letzte Mal gesehen?«
    »Am Sonntag, dem 26. April. Gegen Mittag. Er war hier, um sich die Haare schneiden zu lassen. Er wollte auf eine Party bei seinem Cousin gehen. Für mich war das in Ordnung. Ich wohne direkt hier drüber, und ich habe ihm gern den Gefallen getan.«
    »War er gut angezogen?«
    »Ja, im Anzug. Sah schick aus.«
    »War jemand bei ihm?«
    »Sein Mädchen, Crystal. Dominikanerin. Hat nicht viel Englisch gesprochen, aber ich kann ein bisschen Español , da konnten wir uns ganz gut verständigen. Nettes Mädchen.«
    »Wie heißt sie mit Nachnamen?«
    »Taíno. Genau wie der Indiostamm, der auf der Insel lebte, bevor Kolumbus sie entdeckt hat, hat sie erzählt. Sie sah auch so aus. Wie Pocahontas, nur dunkler.«
    »Was wissen Sie sonst noch von jenem Tag?«
    »Die beiden wurden hier vor der Tür abgeholt, von einem schwarzen Wagen. Einem schwarzen Mercedes. Mit getönten Scheiben.«
    »Ist jemand ausgestiegen?«
    »Nein. Die Beifahrertür ist aufgegangen. Neptune kannte die Leute, die im Wagen saßen. Hat Hallo gesagt und gelacht, ganz glücklich, als hätte er die Leute eine ganze Weile nicht gesehen.«
    »Hat er gesagt, wo die Party stattfinden sollte?«
    »Irgendwo in