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Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Titel: Der Totenmeister: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
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Genau weiß ich das nicht mehr. Ein Jahr. Oder länger. Ich weiß nicht. Aber er war gut zu ihr. Sie hat mir erzählt, dass er ihr regelmäßig Geld schickt. Daher auch die Eisengitter am Haus und das grüne Gras da.«
    »Haben Sie in der Nähe des Hauses je einen Mann mit Hut gesehen?«
    »Alle Männer hier in der Gegend tragen Hut, nur Sie nicht.«
    »Ein großer Mann, ungefähr meine Größe. Und dick.«
    Sie schüttelte den Kopf, und ihre dichte weiße Mähne wiegte sich hin und her wie Weizen auf dem Feld.
    »Hat Madeleine erzählt, ob sie noch andere Verwandte hier in Miami hat?«
    »Sie hat mal einen Cousin drüben in Liberty erwähnt. Neptune heißt der Mann«, sagte sie.
    »Neptune? Sonst noch jemand?«
    »Nicht, dass ich wüsste.«
    »Vielen Dank, Ma‘am, Sie haben mir sehr geholfen.« Joe klappte sein Notizbuch zu. »Es war genau richtig, dass Sie uns angerufen haben.«
    »Sie hätten schon mal eher vorbeikommen können.«
    »Ich wünschte, das wären wir«, sagte Joe. »Ihnen noch einen schönen Tag.«
     
    Als er wieder im Wagen saß, nahm er sich die Vermisstenliste vor, fuhr mit dem Finger die Spalte der Vornamen hinab und suchte nach Neptune.
    Da war er.
    Neptune Perrault, 29 Baldwin Gardens, North West 75th Street, Liberty City. Vermisst gemeldet am 27. April.
     
    Baldwin Gardens war eine Sozialbausiedlung. In Miami wurden diese sehr viel niedriger gebaut als in anderen Städten, wegen des Wetters, aber das Prinzip war das gleiche: Offiziell bezahlbarer Wohnraum für Bedürftige, manchmal sogar mit großartigem Ausblick; inoffiziell Betonbaracken, in die die Minderheiten gepfercht wurden wie Sardinen. Die winzigen Wohnungen, die für vier bis fünf Personen gedacht waren, beherbergten in der Regel zwei- bis dreimal so viele.
    Joe nahm die Treppe in den vierten Stock und brach unterwegs in Schweiß aus. Es stank nach Urin, Müll, Alkohol und zu vielen Menschen auf zu wenig Raum.
    Im Flur vor Neptune Perraults Wohnung war es dunkel, heiß und feucht. Durch die dünnen Wohnungstüren hörte Joe Fernseher und Radios plärren, Gespräche und Streitereien, vorwiegend in einer Fremdsprache, die er als haitianisches Kreolisch erkannte, eine Mischung aus Französisch und westafrikanischen Sprachen.
    Nichts geschah, als er an die Tür der Nummer 29 klopfte. Er versuchte es nebenan. Nichts.
    Am Ende des Ganges steckte jemand den Kopf aus der Tür.
    »Polizei, wissen Sie …«
    Der Kopf verschwand.
    Er versuchte es noch eine Tür weiter.
    Ein kleines Mädchen riss die Tür weit auf und schaute zu ihm hoch. Sie hatte nasse Cornflakes im Gesicht, ihr Haar war zu Zöpfen geflochten. Sie war höchstens acht Jahre alt.
    »Hallo, Kleine. Ist deine Mama oder dein Papa zu Hause? Ich bin Polizist.«
    Hinter ihr schlurfte ein Mann herbei, er hatte rote Augen und sah verschlafen aus, die orangefarbenen Bermudashorts hingen ihm auf den dürren Hüften, sein Bauchnabel sah aus wie ein Golfball. Er hatte das Gesicht eines alten Mannes, zerfurcht, runzelig und schlaff, aber den Körper eines magersüchtigen Teenagers, nur Haut und Knochen, kein bisschen Fett.
    »Guten Morgen, Sir. Polizei.« Joe hielt seine Dienstmarke in die Höhe. Sprechen Sie Englisch?«
    Der Mann nickte schweigend.
    »Kennen Sie einen Neptune Perrault? Wohnung 29?«
    Wieder nickte er.
    »Haben Sie ihn heute schon gesehen?«
    Der Mann schüttelte den Kopf.
    »Und gestern? Oder überhaupt in letzter Zeit?«
    Wieder Kopfschütteln.
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Im April«, sagte der Mann und hustete.
    »Anfang, Mitte, Ende?«
    »Ende.«
    »Ende?«
    »Ja, sag ich doch«, antwortete der Mann. Er hatte einen karibischen Akzent, klang nach einer der kleineren Inseln, Trinidad oder Barbados.
    »Wieso sind Sie sich da so sicher?«
    »Bin ich eben«. Er zuckte mit den Schultern, als wäre Joe schwer von Begriff.
    »Wo haben Sie ihn gesehen?«
    »Vor Emmanuels Laden, dem Friseur gegenüber. Er ist in einen Wagen gestiegen. Er hat bei Emmanuel gearbeitet.«
    »Was war das für ein Wagen?«
    »Schwarze Limousine.«
    »Was er gut angezogen?«
    »Besser als sonst auf jeden Fall. Er hatte einen Anzug an.«
    »Haben Sie mit ihm gesprochen?«
    »Nein.«
    »Waren Sie befreundet?«
    »Er war ein freundlicher Mensch.«
    »Aber waren Sie Freunde ? Mochten Sie ihn?«
    »Er war in Ordnung. Ich kannte ihn nicht besonders gut.«
    Joe sah ihn prüfend an, dann schaute er an ihm vorbei in die Wohnung. Die Vorhänge waren zugezogen, in einer Tür drängten sich mehrere

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