Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Mercedes, Porsche und Ferrari waren bei den Schneereichen von Miami mittlerweile so beliebt, dass sämtliche Autohändler praktisch ausverkauft waren und die Wartezeit acht Monate betrug.
Auch diesmal brachte Eva ihre Kundin zum Wagen und blieb auf der Straße stehen, bis sie abgefahren war.
Es folgten noch zwei Besucherinnen: eine Schwarze in einem Mercedes Benz 450 SEL 6.9 und eine Rothaarige in einem Porsche, beide Ende zwanzig, Anfang dreißig, beide trugen ihr Geld zur Schau, und beide blieben ungefähr eine Stunde.
»Hochkarätige Kundschaft. Muss wohl gut sein, unsere Eva«, bemerkte Max.
»Oder sie ist eine gute Schauspielerin«, sagte Joe.
»Was auf das Gleiche rausläuft«, sagte Max. »Hast du dir je die Zukunft vorhersagen lassen?«
»Nee«, sagte Joe. »Mir ist das unheimlich.«
»Du glaubst daran?«
»Na klar. Da ist auf jeden Fall was dran. Aber außer im Dienst will ich gar nicht wissen, was mich erwartet. Das ist ja gerade der Witz am Leben, dass man das nicht weiß.«
Nachdem Eva ihre letzte Kundin verabschiedet hatte, stieg Bonbon aus dem Wagen und hielt ihr die Beifahrertür auf. Eva Desamours stieg ein, und sie fuhren los. Als der Wagen weg war, sah Max mehrere kleine Papierfetzen am Straßenrand, wo eben noch der Mercedes geparkt hatte.
Er ging hinüber, um sich das anzusehen. Da lagen mindestens zwanzig rot-weiß gestreifte Bonbonpapiere – die gleichen, die er in Lacours Haus gefunden hatte. Er sammelte sie mit einem Taschentuch auf.
Sie folgten dem Mercedes zum Haiti Mystique. Um 15.15 Uhr betrat Eva den Laden. Fünf Minuten später fuhr Sam Ismael in einem orangefarbenen Honda vor und ging ebenfalls hinein.
Nach fünf Uhr kamen sie zusammen wieder heraus und fuhren in unterschiedliche Richtungen davon: Ismael Richtung Osten, Eva nach Westen.
Max fotografierte alles.
»Wann sehen wir uns da drinnen um?«, fragte Joe, als sie, weiter dem Mercedes folgend, an dem Laden vorbeifuhren.
»Morgen Nacht«, sagte Max.
Eva Desamours lebte in einem imposanten Haus aus Korallstein an einer breiten, grünen Wohnstraße unweit des Bayshore Drive. Hinter der hohen Mauer und den Palmen, Banyon- und Mangobäumen im Garten waren nur das oberste Stockwerk und das Dach zu sehen.
Der Mercedes blieb vor dem mit Stacheln bewehrten Eisentor stehen, das sich automatisch nach innen öffnete. Der Wagen fuhr hinein.
»Nicht schlecht«, bemerkte Joe.
»Hast du was anderes erwartet? Die Kokser werden high, die Dealer wohnen in einem Stück vom Paradies«, sagte Max.
Wenige Minuten später öffnete sich das Tor wieder, und der Mercedes rollte heraus.
Um 17.45 Uhr fuhr ein weißer Ford Pickup durchs Tor.
Max erkannte Carmine am Steuer.
»Das ist keine Ludenkutsche«, sagte Joe.
»Vielleicht wurde er abserviert.«
Max fotografierte die Nummernschilder.
Niemand kam aus dem Haus. Als es gegen 20.30 Uhr dunkel wurde, gingen in den Bäumen Scheinwerfer an, die das wenige, was sie vom Haus sehen konnten, in ein dunkelgrünes schattengesprenkeltes Licht tauchten, sodass es aussah wie unter einem Tarnnetz. In einem Zimmer im oberen Stockwerk ging Licht an, mehr war nicht zu sehen, weil die Vorhänge zugezogen waren.
Sie warteten noch zwei Stunden, dann ging das Licht oben wieder aus.
Max und Joe machten Feierabend.
Es war kurz vor Mitternacht, als Max bei Sandra ankam. Sie hatten vereinbart, abwechselnd wochenweise bei ihm und bei ihr zu wohnen, eine Art Vorübung zu dem Haus, das sie gemeinsam kaufen wollten. Ja, sie fanden beide, dass es sehr schnell ging, dass sie sich vielleicht mehr Zeit lassen und ein paar Pausen einbauen sollten, um einander kennen zu lernen und nach fatalen Fehlern zu suchen, aber nichtsdestotrotz fühlte es sich einfach richtig an. Wozu das Unvermeidliche hinauszögern?
Bevor er ins Haus ging, ließ sich Max auf der Treppe nieder und zündete sich eine Zigarette an. Es war heiß, windstill, drückend und schwül, und es roch nach heftigem Regen. Was offensichtlich niemandem auffiel und niemanden interessierte. Little Havana war laut wie immer: mehrere Partys, die sich gegenseitig mit Live-Salsa zu übertönen versuchten, Hupen, Feuerwerkskörper, freundschaftliches und wütendes Geschrei. Es roch nach Barbecues und kubanischem Essen. Er hatte große Lust, etwas zu trinken, einen Whisky und ein kühles Bier – genau das Richtige jetzt. Aber Sandra würde es riechen, und er hatte ihr ein Versprechen gegeben. Er konnte nur hoffen, dass er sich daran gewöhnen
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