Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
Pech.
Evas Haus war ein kleiner, hellrosa gestrichener Bungalow mit verglaster Veranda und einer Palme zur Linken. Es war von einem sorgfältig gepflegten Rasen umgeben, ein von Blumen gesäumter Plattenweg führte zur Haustür. Ohne Zweifel das ordentlichste Haus in der ganzen Straße, in der ansonsten nur halb verfallene Bungalows standen, die dabei waren, den Kampf gegen die Schwerkraft zu verlieren. Einige Leute hatten ihre Grundstücke mit Stacheldraht eingezäunt, die Fenster vergittert und diverse Kampfhundrassen im Garten platziert. Dennoch zierten die Graffiti unterschiedlicher Gangs mindestens zwei Drittel der Häuser.
Sie fuhren ein Stück weiter und parkten hinter einem staubigen braunen Pontiac. Es war 8.05 Uhr.
Joe stellte das Radio an. Die Rolling Stones spielten »Start Me Up«. Der Song lief im Moment auf allen Sendern und eroberte die Charts im Eiltempo. Joe nickte im Rhythmus mit dem Kopf und trommelte mit den Fingern aufs Lenkrad ein. Max schaute aus dem Fenster, zuerst in den hellgrauen Himmel, dann auf die farblich abgestimmte hellgraue Straße und wünschte, sein Partner hätte einen besseren Musikgeschmack.
Vierzig Minuten später hielt ein glänzend schwarzer Mercedes 300 D mit getönten Scheiben, silbernen Leichtmetallfelgen und Weißwandreifen vor dem Haus. Max zückte die Nikon FM mit 50-Millimeter-Objekt und knipste.
Ein großer, übergewichtiger, dunkelhäutiger Mann in einem langen schwarzen Mantel mit weißen Handschuhen und Hut stieg aus und öffnete die Beifahrertür, aus der eine Frau mit kurzem schwarzem Haar und der gleichen Hautfarbe wie der Fahrer ausstieg. Sie trug einen eleganten braunen Hosenanzug und Pumps und eine Handtasche aus Alligatorleder. Sie wechselte ein paar Worte mit dem Mann, neben dem sie abgemagert und zerbrechlich aussah, doch an seinem eingeschüchterten Blick erkannte Max, dass er ihr absoluten Respekt zollte.
Schnellen Schrittes ging die Frau zum Haus, schloss die Tür auf und ging hinein. Der Mann stieg wieder in den Wagen.
»Der Fahrer sieht aus wie der Bruder von Fatty Arbuckle«, bemerkte Joe.
»Ich wette, das war Bonbon«, sagte Max und legte die Kamera in den Schoß. »Und die feine Dame ist Eva Desamours.«
Um 9:08 Uhr hielt hinter dem Mercedes ein silberner Porsche Turbo, und eine große, schlanke Blondine in teurem Outfit stieg aus: maßgeschneidertes blaues Seidenkostüm, Goldschmuck an den Handgelenken und den Fingern, am Hals und an den Ohren, das lange Haar zu einer voluminösen Fülle toupiert, die sich nicht im Mindesten bewegte, als sie mit klappernden Absätzen und der sorgfältig einstudierten Eleganz eines Laufstegmodels den Fußweg zum Haus hinaufging. Sie war schön, aber es war eine in Eis gehauene Schönheit mit der ganzen Unnahbarkeit, die mit Geld zu kaufen war. Max wusste, wer sie war.
»Die Frau muss stinkreich sein. Der Elfer ist nagelneu.« Joe nickte in Richtung des 911er Porsche.
»Hast du sie nicht erkannt?«, fragte Max.
»Klar, das ist Cheryl Tiegs«, witzelte sein Partner.
»Das ist Bunny Mason.«
»Die Frau von Pitch Mason?«
»Ganz genau.«
Pitch Mason verfügte über eines der größten Kokain-Vertriebsnetze und war der DEA bei zwei sorgfältig geplanten Operationen durch die Lappen gegangen, weil er, so hieß es allgemein, gewarnt worden war. Im letzten Jahr war er wegen der Pferdeställe und Gestüte, die er besaß, und wegen seiner Frau – eines ehemaligen Bikini-Models -, die er in aller Öffentlichkeit als seine »Lieblingsstute« bezeichnete, regelmäßig auf den Klatschseiten aufgetaucht.
Eine Stunde später kam Eva Desamours mit Bunny Mason aus dem Haus, begleitete sie zum Wagen, hauchte ihr einen Luftkuss auf die Wangen und winkte ihr nach, als sie davondonnerte.
Der nächste Besuch fuhr um 10.25 Uhr in einem roten Ferrari 308 vor. Latina älteren Semesters, kleiner und sehr viel fülliger als ihre Vorgängerin. Sie hatte ein rundes, hartes Gesicht, trug das schwarze Haar zu einem kurzen Pferdeschwanz gebunden und eine riesige Sonnenbrille, die sowohl Max als auch Joe an die exzentrischen Augengläser erinnerte, die sonst nur Elton John trug. In ihrem schwarzen strassbesetzten Jogginganzug aus Samt und mit passenden Slippers marschierte sie mit der Eleganz eines wütenden Pitbulls zur Tür.
»Kennst du die?«, fragte Joe.
»Nee, aber zusammen mit dem Elfer haben wir hier die Dreifaltigkeit der Drogendealerkutschen«, sagte Max, während er die Frau fotografierte, die im Haus verschwand.
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