Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
mit den getönten Scheiben, der neben seinem Pickup parkte. Er spürte, dass er aus dem Wagen heraus beobachtet wurde. Er glaubte sogar, drinnen Frauengelächter zu hören, als er vorbeiging. Er würdigte den Mercedes keines Blickes. Er stieg in seinen Pickup und fuhr vom Parkplatz, auf dem Weg zum Haiti Mystique.
Was zum Teufel war hier los? Warum hatten die das mit ihm gemacht? Klar, seine Mutter hasste ihn bis auf den Tod, aber er hatte ihr immer hochklassige Mädels geliefert, echte Goldesel. Er war verdammt gut darin, frische Talente aufzutun und zu rekrutieren. Keiner konnte die Schlampen so becircen wir er, keiner, schon gar nicht Bonbon. Das ergab alles keinen Sinn. Überhaupt keinen Sinn.
Dann dachte er an Julita, aber statt ihrer sah er Lucita vor sich. Wie blöd, dass ihm das nicht schon längst aufgefallen war, aber sie hatten fast den gleichen Namen. Julita und Lucita.
Das Herz wurde ihm schwer, er hatte einen Kloß im Hals, und ein übermächtiges Gefühl der Hoffnungslosigkeit schwemmte über ihn hinweg. Er konnte weder etwas Gutes noch etwas Schlechtes tun, ohne beides zu vermasseln.
Ohne die Zuhälterei war er nutzlos, zu absolut nichts zu gebrauchen.
Er sah seine Mutter vor sich, er wusste genau, wie sie ihn heute Abend im Bad verhöhnen würde, wie sie ihm sein Versagen unter die Nase reiben würde, bis er daran erstickte.
Julita würde es nicht lange machen auf der 63rd Street. Die Piks auf der Ecke würden ihr das Leben zur Hölle machen, weil sie die Neue war und noch dazu weiß. Dabei war sie Kubanerin, aber wen interessierte das. Machte es im Grunde nur noch schlimmer. Die Gangster-Kids würden Schlange stehen bei ihr, für fünf Mäuse pro Fick. Nie im Leben würde sie die 1250 Dollar zusammenkriegen. Zwei Monate würde sie das durchhalten, dann wäre sie am Ende. Bonbon wusste das. Es war seine Strafe, weil sie geklaut hatte. Carmine wünschte, er wäre nicht zu ihr gegangen, dann wäre das alles nicht passiert. Er hatte nicht nur ihr Leben ruiniert, sondern auch gleich noch das ihrer beiden Töchter.
Er versuchte, sich aufzumuntern, an etwas Schönes zu denken.
Wie hieß es noch, wenn einer ganz unten war? Jetzt kann es nur noch aufwärtsgehen.
Er hatte immer noch Nevada, auf das er sich freuen konnte. Und das ganze Geld, das er beiseitegeschafft hatte. Daran konnte er sich festhalten. Es war noch nicht alles verloren. Es gab noch Hoffnung.
Ja, genau!
Wem wollte er hier eigentlich etwas vormachen?
Er stand allein da, im kalten Licht des Tages.
Sie hatten ihn gestoßen, und er war sehr tief gefallen, aber er spürte, dass es noch tiefer ging.
Das hier war erst der Anfang vom Ende.
50
Die Nummer, die sich Max im Haiti Mystique notiert hatte, gehörte zu einem Haus auf der North East 128th Street in North Miami Beach. Sowohl das Haus als auch der Telefonanschluss liefen auf den Namen Eva Desamours.
Früh am Mittwochmorgen machten sich Max und Joe in einem blauen 78er Ford Ranchero, den sie aus dem Fuhrpark ausgeliehen hatten, auf den Weg nach North Miami Beach. Der Motor lief gut, aber der Wagen sah aus wie eine Schrottkarre: verrostete Stoßstangen, Kratzer und abgeplatzter Lack an der Karosserie, Dellen auf der Motorhaube und an den Kotflügeln. Die ideale Tarnung für eine Gegend, in der jeder Wagen mindestens aus dritter Hand war.
North Miami Beach war nicht unbedingt das schlimmste Viertel, das die Stadt zu bieten hatte, aber auch Millionen Meilen vom besten entfernt. Seine wichtigsten Touristenattraktionen waren die Kirche St. Bernard de Clairvaux unweit des West Dixie Highway – ein mittelalterliches spanisches Kloster, das William Randolph Hearst in Europa gekauft und Stein für Stein in die Staaten hatte verschiffen lassen – und ein FKK-Strand in der Nähe des Haulover Parks am Intercoastal Waterway, vor dem regelmäßig Demonstrationen christlicher Fundamentalisten stattfanden. Dazwischen lagen trostlose Arbeiter- und Arbeitslosensiedlungen, hässliche Mietshäuser und Billigläden, deren Regale halbleer waren. Die Verbrechensrate war hoch, wenn die meisten Vergehen nach aktuellem Standard auch vergleichsweise harmlos und zahm waren: Überfälle, Einbrüche, häusliche Gewalt, Vergewaltigungen und Morde. Dennoch zu viel für die unterbesetzte und überstrapazierte lokale Polizei, die der Lage nicht mehr Herr wurde und daher Prioritäten setzen musste. Sie konzentrierte sich auf Gewalt gegen die sehr Jungen und die sehr Alten, alle anderen hatten
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