Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Der Totenmeister: Thriller (German Edition)

Titel: Der Totenmeister: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Stone
Vom Netzwerk:
Hemd und passender Krawatte mit goldener Krawattennadel. Er sah aus wie ein Handelsvertreter eines großen Konzerns kurz nach dem Frühstück. Er stellte ihr diverse Fragen, wie sie die Leiche gefunden hatte, ob sie in der Nacht zuvor etwas Verdächtiges gehört oder gesehen und was sie getan hatte. Er wirkte sehr professionell und überaus korrekt, dabei aufrichtig höflich und einnehmend, sodass sie wünschte, sie wüsste mehr und könnte ihm weiterhelfen. Er erinnerte sie an Earl Campbell, den Footballspieler: gleiche Größe, gleiche Statur, gleiches Auftreten. Und auch er trug keinen Ehering.
     
    »Ich würde sagen, der ist seit zwei Wochen tot«, kommentierte Max, faltete sich die Manschetten über die Jackettärmel und schob sie bis zum Ellbogen hoch, wie er es immer tat, wenn er eine Leiche inspizierte. Könnte ja sein, dass er die Hand in eine Wunde stecken musste, um irgendein wichtiges Beweismittel herauszuholen.
    »Riecht wie drei«, sagte Joe und drehte sich weg. Der Gestank war ihm am Mentholbalsam vorbei in die Nase gestiegen und hinunter in den Magen gelangt. Er war ebenso heftig wie ekelhaft, wie eine tote Kuh in einem Müllcontainer im Hochsommer. Ihm war unbegreiflich, wie Max da so nah herangehen konnte.
    Die Leiche war die eines schwarzen Mannes, sie war nackt und befand sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Verwesung. Aufgedunsen und deformiert, aufgepumpt von widerlichen Gasen, die von den sich verflüssigenden Eingeweiden herrührten. Die Haut war zum Zerreißen gespannt, an manchen Stellen halb durchsichtig wie Gaze, sodass man Blicke auf das Leben nach dem Tod erhaschen konnte: die schattenhaften Bewegungen der Würmer und Insekten, die nun als Parasiten den Körper bewohnten.
    Die Lippen waren zu einem grotesken Schmollmund aus fleißigen Fleischfliegen aufgeworfen, von gewöhnlichen Schmeißfliegen an ihrem zuckerstangenartig gestreiften schwarzweißen Körper zu unterscheiden. Die Augen und die Lider waren schon lange nicht mehr da, von Insekten gefressen. Die Augenhöhlen zwei wimmelnde Madennester von der Farbe und Konsistenz ranziger Butter. Die Maden wurden eine nach der anderen von einer geordneten Prozession metallisch grüner Stutzkäfer aufgepickt, die im Gänsemarsch vom linken Ohr der Leiche nach oben marschierten, die Maden in die Mandibeln nahmen, sie aus ihrem gemeinschaftlichen Zuhause zerrten und die sich wild windenden Würmchen in zwei parallelen Linien zum rechten Ohr transportierten. Von oben sah es aus, als würden die wimmelnden Augenhöhlen des schwarzen Mannes große, glänzend grüne Tränen weinen.
    Max und Joe waren die Einzigen in der Nähe der Leiche. Die Sanitäter waren mit dem Wachmann beschäftigt, der den Toten entdeckt und zur Belohnung einen Mund voll Schmeißfliegen geschluckt hatte. Sie erklärten ihm gerade, was es bedeutete, den Magen auszupumpen. Er war der Meinung, er bräuchte einen Kaffee. Zur Linken standen zwei Polizisten aus North Miami, einer jung, einer alt, beide den Daumen in den Gürtel gesteckt, beide rauchten mit gelangweilter Miene. Die Mitarbeiter des Parks hatten sich im Besuchertunnel versammelt und verfolgten das Geschehen durch das Glas. Weder die Spurensicherung noch die angeforderte Verstärkung waren bisher eingetroffen.
    Hinter sich hörten Max und Joe die Tiere, die zunehmend unruhig wurden. Die ganze Zeit schon waren in den Bäumen laute, furchteinflößende Schreie zu hören gewesen. Es klang wie ein Löwe, nur wütender und gereizter und sehr viel ostentativer. Brüllaffen, hatte die Tierärztin mit einem Lächeln erklärt, als sie gesehen hatte, wie Max und Joe besorgte Blicke tauschten. Sie taten das jeden Morgen, um die Konkurrenz ins Bockshorn zu jagen: kein Grund zur Sorge, sie waren harmlos, sie brüllten, aber sie bissen nicht. Doch da waren noch mehr Laute, von anderen Affen: Kreischen, Schreien, Heulen und ein Geräusch wie das Hochgeschwindigkeitsgackern einer Henne auf Anabolika. Ungehemmte Laute voller Selbstvergessenheit, die zu einer irrsinnigen, primitiven Kakophonie verschmolzen, nicht unähnlich einer Kneipe voller Betrunkener, die in Zungen redeten.
    Dazu jede Menge Bewegung in den Bäumen, die unmissverständlichen Geräusche von Beunruhigung, Rascheln im Laub und in den Büschen, brechende Zweige, Gegenstände, die umgeworfen wurden und zerbrachen, und all das immer lauter, deutlicher und näher.
    Max schaute in die Bäume: ein Dschungel, eine beeindruckende, aber komplett deplatzierte Ansammlung

Weitere Kostenlose Bücher