Der Totenmeister: Thriller (German Edition)
würde er die arroganten Fotzen an Taxifahrer und Schuhputzer verkaufen, an Kellner, Hotelpagen, Filialleiter, Gärtner, Poolreiniger und Köche – an alle, die sie schlecht oder von oben herab behandelt hatten. Alle würden sie ein Stück abkriegen. Und ab und an würde er sie hierherbringen und ihnen ihr altes Leben noch einmal unter die Nase reiben, aber dann würden sie keinen Salat und kein Obst mehr essen wollen, sie würden ihn anflehen, mit ihnen zu Wendy’s oder Burger King zu gehen, damit sie was Richtiges essen konnten. Er schmunzelte leise in sich hinein: Mann, er konnte ganz schön fies sein, wenn er wollte – es erschreckte ihn selbst manchmal. Aber das Leben und seine Mutter, die alte Hexe, hatten ihn zu dem gemacht, was er war. Pech gehabt und dumm gelaufen.
Heute war er geschäftlich hier. Wegen der Kellnerin mit Namen Dominique. Ein potenzielles Herz. Aber für seine Mutter war die nicht bestimmt. O nein, die wollte er für sein eigenes Blatt. Weiß, langes blondes Haar (nicht gefärbt), große, kugelrunde, babyblaue Augen, die manchmal noch größer wurden, als hätte sie soeben zum ersten Mal in ihrem Leben etwas ganz Neues und Wunderbares gesehen oder gehört. Sie war schlank und groß, hatte lange Beine, eine schmale Taille, runde Hüften und fantastische Titten. Und ganz gesund schimmernde Haut: eine klassische amerikanische Applepie-Blondine aus dem gleichen Genpool wie Christie Brinkley und Chris Evert. Yessir. Sie sah aus wie ihr Arbeitsplatz, Fresh & Natural .
Er bearbeitete sie schon seit der Vorweihnachtszeit. Er hatte sich Zeit gelassen mit ihr, weil er, ganz ehrlich, am Anfang gezögert hatte, dort zu rekrutieren, wo er auch verkehrte. Aber letzten Endes hatte er einsehen müssen, dass sie zu viel Potenzial hatte, um es ungenutzt vorbeiziehen zu lassen. Noch dazu war sie diejenige gewesen, die ihn angesprochen hatte, nicht umgekehrt. Natürlich war sie ihm auch schon aufgefallen. Ein so knackiger Haferhintern war schließlich kaum zu übersehen. Er war gerade von der Biscayne Bay zurückgekommen, wo er sich als Fotograf ausgegeben hatte, und sie hatte ihn gefragt, ob er das »professionell« mache. Er hatte laut lachen müssen über die ungewollte Ironie ihrer Frage, und sie hatte geglaubt, er lache sie aus. Sie war rot angelaufen und hatte gekränkt ausgesehen: ideale Einstiegsvoraussetzungen für ihn. Er hatte sich eine Geschichte ausgedacht, wie er noch am Morgen als Amateur bezeichnet worden war, blablabla, und so waren sie ins Gespräch gekommen. Sie hatte ihm erzählt, dass sie aus Vegas stammte. Sie hatte sich in LA als Model versucht, war aber nicht weit gekommen, und jetzt lebte sie hier. Er war nach dem gleichen Muster vorgegangen wie immer: sie kennen lernen und herausfinden, ob sie allein lebte – kein Ehemann, kein fester Freund, keine Familie. Als sie sagte, sie gehe allein mit ihren Ambitionen durchs Leben, hatte er ihr von einem Auftrag erzählt, den er in den nächsten Wochen erwartete. Er hatte ein paar Polaroids von ihr geschossen und ihr seine Karte gegeben. Sam hatte fast abgespritzt, als er die Fotos gesehen hatte, und so hatte er beschlossen, sie heute aufzusuchen und die letzte Phase einzuleiten: ein paar Mal mit ihr ausgehen, ihr Vertrauen gewinnen und sie irgendwann Sam vorstellen, dem Zureiter.
»Hey, Louis!«, rief Dominique und lächelte ihr hochenergetisches, strahlend weißes Blitzlichtlächeln. Louis de Ville, Photograph. So stand es auf der Karte, die er ihr gegeben hatte.
»Wie läuft’s, Prinzessin?« Carmine lächelte sie an und schob die Sonnenbrille hoch. Dann formte er mit den Fingern ein Rechteck und nahm sie ins Visier. Sie posierte, schob die Lippen vor, hielt sich die Haare hoch. Die Schaufensterpuppen gafften. Carmine stand auf und küsste sie auf die Wange. Musste sich ein klein wenig auf die Zehenspitzen stellen. Die Schnecke war drei oder vier Zentimeter größer als er, dabei trug sie flache Schuhe. Die fetten alten Gnome würden auf sie abfahren.
Ihre Schicht hatte gerade angefangen. Sie musste lange arbeiten heute, bis Mitternacht, so lange war das Restaurant geöffnet. Nach Sonnenuntergang bestand die Kundschaft vor allem aus jüngeren Paaren, die sich über einem Fruchtsaftcocktail tief in die Augen schauten. Sie sagte, das sei die schlimmste Zeit für sie, weil diese glücklichen Paare sie nur an ihre eigene Einsamkeit erinnerten. Es machte ihn immer wieder fassungslos, dass die Schlampen einem die persönlichste Scheiße
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