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Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
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damit gerechnet, dass Sie heute reinkommen würden …«
    »Bitte stellen Sie keine Anrufe durch«, sagte er und hängte sein Jackett an die Mahagonigarderobe vor seinem Büro. »Mein Bruder und meine Schwester werden bald eintreffen. Bitten Sie sie dann gleich zu mir. Und ich möchte einen Kaffee, bitte.«
    Sie hatte sich halb von ihrem Stuhl erhoben, und ihn irritierte ihre bunte Aufmachung - ein pink gemusterter Minirock und ein limettengrüner Pulli, der viel zu eng war. Damals, als sein Vater hier noch das Sagen hatte, hätten sämtliche Sekretärinnen einen Monat lang Trauer getragen. Er registrierte, dass ihr Augen-Make-up denselben Grünton hatte wie ihr Oberteil.
    »Mr Putnam«, wiederholte sie. »Ich möchte Ihnen nur sagen, wie leid uns das allen tut. Jeder von uns, wir …«
    »Danke, Pam.« Ihr Mitleid war ihm zu viel. Er spürte, wie etwas in ihm zersprang und befahl ihr mit einem Blick zu schweigen, betrat sein Büro und schloss die Tür mit einem »Klick«.
    Das Büro war tadellos, auf dem Schreibtisch lag in akkurat symmetrischem Muster eine Lederkladde, neben einem Stifthalter aus Leder und zwei Fotografien, eine von Melissa und eine von der ganzen Familie, aufgenommen ein paar Jahre vor Peteys Tod, ebenfalls in Leder gerahmt. Er legte beide Rahmen mit der Vorderseite nach unten auf die Tischplatte.
Er wollte nachdenken, und dafür wollte er unbeobachtet sein.
    Kurz darauf ertönte ein vorsichtiges Klopfen, als würde ein Vogel mit dem Schnabel gegen einen Baumstamm pochen. Er rief »herein« und Pam öffnete die Tür, durchquerte das Zimmer mit einem Tablett, auf dem sie eine Bistrokanne mit dampfendem Kaffee, einen Becher und ein Milchkännchen balancierte. Sie erinnerte ihn an einen Krebs, wie sie in ihren viel zu hohen Schuhen seitwärts ging und versuchte, nicht in sein Blickfeld zu geraten.
    »Vielen Dank, Pam«, sagte er, nahm ihr das Tablett ab und stellte es auf den Couchtisch. Sie schien etwas sagen zu wollen, aber seine Körpersprache ließ sie verstummen. Er drehte ihr den Rücken zu und machte sich an der Kaffeekanne zu schaffen. Sekunden später hörte er die Tür ins Schloss gleiten.
    Als sie draußen war, schenkte er sich Kaffee ein und ließ sich in die Sofakissen sinken. Er versuchte, seine Herzfrequenz zu drosseln und zählte von zehn bis null, wie der Arzt es ihm empfohlen hatte.
    »Du bist zweiunddreißig, Drew, hast fünfundzwanzig Pfund Übergewicht und bist nur zwei Jahre von einem Herzinfarkt entfernt, wenn du nicht lernst, dich etwas zu entspannen. Du musst vielleicht durch eine Therapie oder Stress-Management eruieren, woher der Stress in deinem Leben überhaupt kommt, und dann daran arbeiten, dass er verschwindet.«
    »Ich glaube nicht an Therapien«, hatte er erwidert. »Ich fange an zu joggen.«
    Er konnte die hochgezogenen Augenbrauen seines Kardiologen noch genau vor sich sehen, als er ihm ein Rezept für Herztropfen ausgestellt hatte.
    »Sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins, Ruhe«, flüsterte er und schöpfte neuen Atem. Sein Herz raste immer noch wie wild.
    Pam hatte seine Post in eine weiße Box sortiert, die auf der Erde neben seinem Schreibtisch stand, so wie er es mochte.
Er blätterte rasch den Stapel durch, das Einzige, was ihn interessierte, war die weiße Papprolle. Er zog die Plastikkappe ab und förderte die stramm zusammengerollten Zeichnungen für das Back-Bay-Projekt zutage. Er hatte seit Wochen darauf gewartet, und ihn durchfuhr ein Schauer von Arbeitseifer, wie jedes Mal, wenn er zum ersten Mal einen Blick auf die Baupläne warf. Alles schien einwandfrei zu sein. Er würde sie dem Bauunternehmer vorlegen und anschließend konnten sie so schnell wie möglich mit den Prüfungen beginnen.
    Es klopfte erneut an der Tür und ohne eine Antwort abzuwarten, kam seine Schwester herein.
    »Hilfe«, platzte sie heraus, nahm seinen Kaffeebecher und trank einen Schluck, »das ist ja der hässlichste Blumenstrauß, den ich seit Großvaters Beerdigung gesehen habe.« Sie trug ein dunkles Kostüm mit einer schlichten Seidenbluse darunter, was zurzeit ihre Uniform zu sein schien. Er fragte sich, ob sie gleich zwölf davon auf einen Schlag gekauft hatte, als sie beschlossen hatte, in die Politik zu gehen. Aber er hatte keine Energie, sie das zu fragen, sondern sagte nur so viel wie absolut nötig.
    »Cam«, entgegnete er und musterte sie. »Wir müssen reden.«
    Sie warf ihm einen schnellen Blick zu und er spürte ihre Unsicherheit. »Ich weiß«, antwortete sie. Sie

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