Der Totenschmuck
sah zur Tür. »Ist sie …«
»Kein Problem. Sie ist seit der Renovierung schalldicht.«
Sie schwiegen beide und lauschten in die leere, schalldichte Luft.
»Hat die Presse dich auseinandergenommen?«
»Nicht wirklich«, erwiderte sie. »Wir haben bloß ein paar Anrufe bekommen, ob sich jetzt meine Planung ändert.«
»Gut.« Er zögerte. »Ich bin gestern bei dir vorbeigefahren. Wo warst du?«
Wieder ihr unsicherer Blick. »Oh, hab mit Lawrence über Strategie gesprochen.«
»Es war Mitternacht.« Er runzelte die Stirn und grinste sie an, um ihr die Chance zu geben, einen Witz daraus zu machen und zuzugeben, dass sie mit jemandem ein Date gehabt hatte. Stattdessen wurde sie rot.
»Ich muss schon geschlafen haben und habe die Klingel nicht mehr gehört«, erklärte sie. »Ich war vollkommen erledigt.«
Aber dein Auto war nicht da, wollte er sagen. Dein Auto stand nicht vor dem Haus. Er hob nur die Schultern.
Sie ging im Zimmer auf und ab und er merkte, wie unruhig sie war. »Drew, was werden wir …?«
Sie wurde durch ein weiteres Klopfen unterbrochen. Jack streckte seinen dunklen Schopf durch die Tür. Er hatte eine Flasche mit grünem Eistee, der richtig giftig aussah, in der Hand und trug Jeans, hellbraune Birkenstock-Sandalen aus Wildleder und ein geripptes T-Shirt mit roten Farbspritzern. Er sah auch ohne sich anzustrengen gut aus, die dunklen Ringe unter seinen Augen betonten sogar noch seinen Schlafzimmerblick. Drew spürte wieder die alte Eifersucht, die er als junger Mann empfunden hatte, wenn er Frauen mit nach Hause gebracht hatte und wusste, dass sie lieber mit Jack zusammen sein würden, wusste, dass er sie in dem Moment verloren hatte, als sie ihn gesehen hatten und für seine künstlerisch-leidende Verwundbarkeit entbrannten. Immerhin musste er Jack zugutehalten, dass er die Frauen nur selten sehr direkt angemacht hatte. Aber es hatte keine Rolle gespielt. Sobald sie Jack begegnet waren, konnte Drew mit absoluter Sicherheit das Ende seiner Chancen voraussagen.
Melissa war die Erste, die Jacks äußere Erscheinung unbeeindruckt gelassen hatte. Aber als er sie besser kennen lernte, begann Drew zu begreifen, dass auch Geld und Macht eine gewisse Aura verströmten.
»Hey«, sagte Jack, gab Cammie einen Kuss auf die Wange und nickte Drew zu, bevor er sich auf das Sofa setzte und einen großen Schluck von seinem Eistee nahm. Er hatte gestern
Abend getrunken. Drew fielen seine blutunterlaufenen Augen und die Art, wie er sich vorsichtig in die Polster zurücksinken ließ auf, als hätte er Angst, seine Haut dabei zu verletzen.
»Wie geht es Dad?«, erkundigte sich Jack.
»Gut, denke ich«, gab Cammie zurück. »Ich habe angeboten, bei ihm zu bleiben, aber er hat abgelehnt.« Sie trat ans Fenster. »Ich finde, wir sollten ihn nicht alleine lassen, aber er wollte nicht, dass ich bleibe. Wenn ihr zwei einfach ein paar Mal nach ihm sehen könntet, ob mit ihm alles in Ordnung ist?«
»Ich fahre heute Abend vorbei«, bot Jack an.
»Gut. Danke.« Sie nahm die Bauzeichnungen in die Hand und studierte die schwarzen Linien, als handelte es sich dabei um eine Karte, die sie entziffern musste, und legte sie wieder auf Drews Schreibtischplatte.
»Wie steckt Melissa das alles weg?«, fragte sie ihn.
»Ganz prima.« Er wollte nicht über Melissa sprechen.
»Bist du da sicher? Das muss ganz schön hart für sie sein.«
»Das weiß ich.«
»Drew, sie ist nicht sehr stabil, was solche Sachen betrifft. Ich meine ja nur.« Sie kratzte sich am Kopf und brachte dabei ihre Frisur durcheinander. Irgendwie gelang es Cammie jedes Mal, sich einen schlechten Haarschnitt andrehen zu lassen.
»Ich weiß«, schnappte er zurück und blickte unsicher in die Runde.
Dann ergriffen alle auf einmal das Wort und brachen in nervöses Gekicher aus.
»Hat jemand von euch …?«
»Hast du …?«
»Was …?«
»Also gut«, entschied Drew. »Wir müssen reden.«
Zehn
Nachdem sie in ihrem Büro einige E-Mails beantwortet und eine Mitteilung des Dekans der Universität gelesen hatte, in der er Empfehlungen über den Umgang mit Brads Tod aufgeführt hatte (»Lassen Sie die Studenten über ihre Gefühle sprechen, seien Sie offen für Anzeichen von Depressionen oder Selbstmordabsichten«), nahm sich Sweeney die Skizzen von dem Trauerschmuck vor, die sie am Vorabend angefertigt hatte, und holte sich ein paar Nachschlagewerke aus ihrem Regal.
Im Handumdrehen hatte sie mehrere Beispiele gefunden, die der aus Haaren geflochtenen
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