Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Totenschmuck

Titel: Der Totenschmuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Stewart Taylor
Vom Netzwerk:
Kette sehr ähnlich waren und vermutete, dass sie nach einem Muster aus Godey’s Lady’s Book gemacht worden war. Diese weit verbreitete Zeitschrift hatte Anfang 1850 die Amerikanerinnen in die Kunst der Herstellung von Schmuck aus Haaren eingeführt.
    Die Damen besaßen damals kleine runde Tische mit Löchern in der Mitte, die speziell für diesen Zweck angefertigt wurden. Die einzelnen Haarsträhnen wurden mit Spulen beschwert, dann wurden kleine Muster aus Papier auf die Tische gelegt, damit das Haar nach Anleitung auf diesem Papier um einen Draht gewickelt werden konnte. Wenn die Kette fertig war, wurde das Haar gekocht und im Ofen erhitzt. Anschließend konnte der Draht entfernt werden. Um eine solche Kette anzufertigen, wie Brad sie getragen hatte, musste das Haar um kleine Kugeln aus Holz gewickelt werden. Sweeney
blätterte in dem Katalog eines Händlers und stellte fest, dass die Halskette einen Wert zwischen vierhundert und sechshundert Dollar besaß. Die beiden Broschen waren noch ein bisschen interessanter. Die ältere Brosche mit dem Korbgeflecht stimmte fast mit einem Exemplar von Ende 1850 aus dem Katalog überein, die andere war typisch für die Achtziger des gleichen Jahrhunderts. Auch das Medaillon stammte aus der Bürgerkriegszeit - Sweeney fand in dem Nachschlagewerk einige beinahe identische Stücke. Die Kollektion war insgesamt mehrere tausend Dollar wert.
    Wie war Brad zu den Schmuckstücken gekommen? Als sie vor wenigen Wochen begonnen hatten, über Trauerschmuck zu sprechen, hatte Sweeney ihren Studenten erklärt, dass es in Boston und Umgebung Juweliere gab, die diesen Schmuck zum Verkauf anboten und wo sie sich Beispiele anschauen konnten. Sie könnte also ein paar Juweliergeschäfte aufsuchen, um zu sehen, ob Brad den Schmuck dort gekauft hatte. Das wäre immerhin ein erster wichtiger Schritt.
    Die Polizei hatte sie natürlich nicht darum gebeten, der Sache nachzugehen - eigentlich hatte Quinn sie darauf hingewiesen, mit niemandem über den Fall zu sprechen -, aber er hatte auch gesagt, dass sie sich möglicherweise wieder bei ihr meldeten, wenn sie Hilfe brauchten. Wenn sie etwas Neues darüber herausfinden konnte, woher der Schmuck stammte, wäre die Polizei sicher sehr dankbar, folgerte Sweeney.
    »Hey, Sweeney.« Ihre Kollegin Fiona Mathewson rollte in ihrem motorbetriebenen Rollstuhl hinter ihr her. »Ist alles in Ordnung?«
    »Hey, Fiona. Ich hab hier noch ein bisschen zu tun.«
    »Es tut mir so leid wegen Brad Putnam. Ich weiß, dass du ihn sehr gemocht hast.«
    Sweeney dankte ihr. »Warte«, rief sie, als Fiona Richtung Flurende weiterfuhr. »Hast du was über die Anstellung gehört?«
    Fiona, die sich auf moderne Bildhauerei spezialisiert hatte,
war Sweeneys Informationsquelle für die politischen Entscheidungen am Institut für Kunst und Architektur und hatte ein ebenso exzellentes Gedächtnis wie der Institutsleiter Ernest Bovato. Sie war auch eine Tratschtante, aber immer auf dem neuesten Stand.
    »Ja, Gerüchten zufolge hat Bovato mit jemandem von der Universität aus Michigan gesprochen.«
    »Darn!«
    »Tut mir leid. Ich weiß, dass er dir damit an den Karren fahren will. Hast du mit ihm schon darüber geredet?«
    »In letzter Zeit nicht. Als wir uns vor einer Weile unterhalten haben, hat er gesagt, er will jemanden, der für den internationalen Ruf des Instituts gut ist, was natürlich auch so viel heißt, dass ich das anscheinend nicht tue.«
    Fiona grinste. »Die Welt ist grausam, besonders in unserem Metier. Was hast du heute Nachmittag vor?«
    »Gar nichts«, antwortete Sweeney. »Nur eine kleine Recherche.«
     
    Dannikas Feine Antiquitäten, direkt an der Newbury Street, war Sweeneys Lieblingsgeschäft der drei oder vier Adressen, die in der Stadt Trauerschmuck verkauften. Also beschloss sie, dort zu beginnen. Während ihrer zahlreichen Besuche über all die Jahre hinweg waren ihr Dannika Montrose und ihre Waren richtig ans Herz gewachsen. Oft hatte sie samstagnachmittags oder sonntagmorgens vorbeigeschaut, um zu stöbern. Wenn Dannika Sweeneys blonden Schopf über eine Schauvitrine gebeugt entdeckte, bat sie sie stets in ihr Hinterzimmer, um ihr eine neue Nadel aus Gagat oder eine besonders gut erhaltene Halskette aus Haaren zu zeigen.
    Sie konnten sich beide sehr für Schmuckstücke dieser Art begeistern, die andere Leute makaber fanden. Das Geschäft war schmal geschnitten, in die Räumlichkeiten drang wenig Licht, nur zur Straße waren große Fenster, die die

Weitere Kostenlose Bücher