Der Totenschmuck
Sicht auf eine Auswahl antiken Schmucks neben alten Uhren und
Silberbesteck freigaben. Dannika änderte die Dekoration in jeder Saison, im Winter legte sie glitzernden Weihnachtsschmuck ins Fenster, im Frühjahr pflanzte sie Blumenzwiebeln in Töpfe, so dass die alten Rubine und Smaragde bald zwischen weißen Narzissen oder rosafarbenen, gefüllten Tulpen leuchteten. Heute wuchsen Osterglocken in kleinen Kübeln, die um ihre Stiele Armbänder trugen. Oben im Fenster hatte Dannika ein Transparent aus altem Tonpapier aufgehängt, auf das sie »Eine Heerschar goldener Osterglocken tänzelt und wiegt sich im lauen Wind« in Kalligraphieschrift gemalt hatte.
Als Sweeney die Tür aufschob, schlug ihr der eigentümliche Geruch entgegen, den sie mit antiken Schmuckgeschäften assoziierte. Es war eine Mischung aus altem Metall, vermengt mit Muffigkeit und dem stechenden Geruch von Fensterreiniger.
»Hallo, Sweeney«, begrüßte sie Dannika hinter dem Tresen. Sie hatte eine schmale Figur wie aus einem Dickensroman und trug ihr graues Haar zu einem dicken Dutt oben auf dem Kopf zusammengebunden. Ihre Garderobe bestand hauptsächlich aus Strickjacken aus Lambswool, Tweedröcken und dicken, hautfarbenen Strumpfhosen. Ihre Erscheinung stand allerdings im Widerspruch zu ihrer lebhaften Natur. Sie hatte vier erwachsene Kinder, allesamt Söhne, und einen behäbigen, liebenswerten Mann, der ihr gelegentlich im Laden half.
»Ich habe mich schon gefragt, wann du mal wieder vorbeikommst. Ich habe dich länger nicht mehr gesehen, aber mir ist da was untergekommen, das dich interessieren wird. Komm mal hier rüber.«
Das Geschäft war mit allen möglichen Schauvitrinen vollgestellt - große, kleine, aus modernem Chrom, aus Glas, es gab antike aus altem, dunklem Holz oben mit Schnitzereien verziert. Sie traten vor einen der älteren Schaukästen, in dem Dannika die ausgesuchten Stücke ihrer Trauerschmuckkollektion aufbewahrte. Sie nahm einen der kleinen Schlüssel,
die um ihren Hals hingen, um den Riegel zu öffnen und hob den Deckel. Sie nahm eine große Brosche in die Hand und reichte sie Sweeney.
In der Mitte bestand sie aus einem Geflecht aus blonden Haarsträhnen, die so geflochten waren, dass sie wie ein Netz aus Gold aussahen. Die Haare waren in einen rechteckigen Rahmen aus Diamanten eingefasst, um den sich ein aufwändiges Band aus Gold rankte, mit Blättern, Früchten und Blüten verziert.
»Die ist englisch«, sagte Dannika. »Ich hab sie für’n Appel und’n Ei bei einer Haushaltsauflösung bekommen.«
Sweeney besah sich die Brosche. »Sie ist wunderhübsch. Wie kannst du sie zum Verkauf anbieten?« Sweeney wusste, dass Dannika öfter Schmuckstücke ausstellte, die sie gar nicht verkaufen wollte oder die sie im letzten Moment nicht an den Käufer abtreten wollte, da dieser ihr unsympathisch war.
»Vielleicht biete ich sie ja gar nicht an«, sagte sie und lächelte verschmitzt. »Möchtest du einen Tee? Ich habe das Gefühl, dass du nicht nur zum Stöbern gekommen bist.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Weil es Montag ist. Du kommst während der Woche nie einfach nur mal so vorbei. Und außerdem siehst du irgendwie besorgt aus.«
Sweeney lachte. »Ja, gut. Ich wollte dich etwas fragen. Und ein Tee wäre großartig.«
Als Dannika den Tee gemacht hatte und sie sich hinter dem Tresen auf zwei Stühle gesetzt hatten, holte Sweeney die Skizzen von dem Schmuck aus ihrer Tasche, die sie am Vorabend gemacht hatte, und gab sie Dannika.
»Kommen dir diese Stücke bekannt vor? Sind sie dir in den letzten Monaten irgendwann mal untergekommen?«
Dannika besah sich jede Zeichnung etwa zwanzig Sekunden lang, bevor sie weiterblätterte. »Ich glaube nicht. Aber die Kette und das Medaillon sind sehr typisch, weißt du? Ich
sehe sehr viele Exemplare dieser Art. Der Verschluss ist dir besonders gut gelungen. Zu den Broschen kann ich nicht so viel sagen. Was hast du überhaupt damit vor?«
»Nur ein bisschen Detektivarbeit«, entgegnete Sweeney. »Aber ich kann dir leider nicht sagen, worum es dabei geht.«
»Hmm. Du bist ein stilles Wasser, wie?«
»Ich weiß, dass du von allen, die hier in der Gegend Trauerschmuck verkaufen, die Einzige bist, die auch etwas davon versteht.« Sie zwinkerte. »Aber könnte es sonst noch jemanden geben, der diese Stücke kennen könnte?«
Dannika grinste. »Ich weiß nicht, was du vorhast, aber du kannst es bei Bob Philips in Concord versuchen, im Blue Carbuncle. Bei ihm oder bei Jeanne Manders
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