Der Totenschmuck
Eines zeigte Senator Putnam, wie er im Plenarsaal eine Rede hielt, auf einem anderen war Andrew als junger Mann zu sehen, an den Mast eines Segelboots gelehnt. Auf einem kleinen Regal stand ein wunderhübsches Brautfoto
von Melissa Putnam, sie trug einen Schleier und blickte in die Ferne.
Sweeney fand einen Platz, von dem aus sie das gesamte Wohnzimmer überblicken konnte und tat, als würde sie mit der Putnam’schen Kunstsammlung verschmelzen, während sie die Familie beobachtete. Kitty, Drew und Melissa standen an einem Ende des Raumes und begrüßten die eintreffenden Gäste, Paddy Sheehan saß im Rollstuhl neben ihnen. Am anderen Ende taten Andrew und Camille dasselbe. Sweeney ertappte sich bei der Überlegung, ob dieses Arrangement vorher abgesprochen worden war oder ob es sich spontan ergeben hatte. Jack war nirgends zu sehen.
Kitty schien sich unter Kontrolle zu haben und tröstete eine ältere Dame. Melissa tupfte ihre Augen fortwährend mit einem Taschentuch und schüttelte Hände. Drew lächelte angemessen düster, nahm ebenfalls die Hände, die ihm entgegengestreckt wurden, aber er sah erschöpft aus, war blass und hatte dunkle Ringe unter den Augen. Auch Paddy Sheehan in seinem Stuhl reichte den Trauernden seine Hand. Sweeney hätte gern erfahren, ob er an einer physischen Behinderung litt oder ob er aus Altersgründen im Rollstuhl saß, aus dem er sich nun halb erhob, um eine Frau zu umarmen. Seine Hände zitterten, während er sprach, aber auf seinen Beinen konnte er sich ohne Schwierigkeiten halten.
Sie wandte ihren Blick Camille und Andrew zu. Wie ihr Bruder trug Camille noch immer das perfekt traurige Lächeln aus der Kirche auf den Lippen. Andrew schien am wenigsten bei sich zu sein. Er starrte ins Leere und fuhr sich mit einer Hand durch sein silbriges Haar.
Sweeney überkam ein eigentümliches Gefühl, als Jack ihr quer durch das Zimmer winkte und auf sie zukam, in der Hand einen Drink. »Geht es Ihnen gut?«, erkundigte er sich. »Brauchen Sie irgendwas?« Er roch nach Seife oder vielleicht Kölnischwasser. Frisch und nach Meer.
»Nein danke. Mir geht es gut.«
»Okay. Lassen Sie uns einen ruhigeren Platz zum Reden suchen. Ich freue mich, dass Sie gekommen sind.«
»Aber gern.« Sie lächelte. Seine Wangen erröteten, und auf seiner Stirn und Oberlippe glänzte ein feiner Schweißfilm. Er hielt ihrem Blick stand, bis sie die Augen niederschlug und einen Schritt zurücktrat.
Er geleitete sie zur Tür und ließ ihr an der breiten Treppe in der Diele den Vortritt. Die Wand im Treppenhaus schmückten riesige Metallscheiben, die wie runde Sägeblätter aussahen. Oben führte er Sweeney durch einen langen Korridor, ihre Absätze klapperten auf dem harten Holzboden, in ein kleines Schlafzimmer, das sie für ein Gästezimmer hielt. Die Wände waren tomatenrot, das Bett hatte ein schwarzes, gepolstertes Kopfteil, das zu dem Sessel neben dem Fenster passte.
»Das ist mir zwar etwas unangenehm«, sagte er und schloss die Tür. »Aber im restlichen Haus wimmelt es nur so vor lauter Gästen. Ich wollte mit Ihnen sprechen, weil meine Mutter mir von Ihrem Besuch gestern Abend erzählt hat. Ich wollte nur sagen, dass wir die Polizei verständigt haben und ihnen schildern werden, was vorgefallen ist.«
Sweeney wusste nicht, was sie erwidern sollte. In dem schmalen Zimmer stand er plötzlich sehr dicht vor ihr, so dass sie sich auf die Bettkante setzte und zu ihm aufsah. »Gut. Mir tut das alles sehr leid. Ich hätte nichts gesagt, wenn ich es nicht für so wichtig halten würde, dass man herausfindet, wer es getan hat - für Brad.«
»Nein, ich bin froh, dass Sie das so gemacht haben.« Er wirkte leicht verlegen. »Also, jedenfalls, die Wahrheit ist, dass ich Brad festgebunden habe. Er hat mich an jenem Abend angerufen und mich gebeten, rüberzukommen. Er war stark betrunken. Als ich in seine Wohnung kam, lag er ohnmächtig am Boden. Ich hatte befürchtet, dass er sich übergeben müsste und daran ersticken würde, also habe ich genau das gemacht, was Sie herausgefunden haben.«
Sweeney musterte ihn und versuchte zu erkennen, ob er die ganze Wahrheit sagte.
»Ich habe nichts gesagt, weil ich dachte, wenn ich das mache, verschiebt es nur den Fokus darauf, wer ihm das alles wirklich angetan hat.« Er trommelte mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte. »Ich brauche dringend eine Zigarette.«
Sweeney zweifelte an seiner Geschichte. War er tatsächlich so naiv? »Hatten Sie keine Angst, man würde
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