Der Totenwächter - Roman (German Edition)
Diese ließen wir mit der unseren verschmelzen. Nur so sind wir EINS! Nur so hatten wir die Macht, Sephrete dorthin zu transportieren, wo der Meister auf sie wartet. Unsere Gedanken sind die Macht! Wir sind die Jünger. Unser Meister ist der Erfüller! Seit Jahrtausenden warten wir auf diesen Moment. Nun wird eine bessere Zeit anbrechen.«
»Was wollt ihr tun? Wie wollt ihr uns daran hindern, das Schiff zu verlassen?«, schnappte Linda. Sie erinnerte sich nicht daran, jemals in ihrem Leben so wütend gewesen zu sein. Wut paarte sich mit Verzweiflung. Sie ahnte, dass ihnen die Zeit davon lief. Grace schwebte in Lebensgefahr und sie standen hier herum und debattierten.
Nun meldete sich die Alte zu Wort. Sie sah aus wie eine freundliche Großmutter, die sie ansonsten auch war. Ihre Worte klangen wie Blech auf Stein. »Denkt nach, ihr Würmer! Wenn es uns gelang, Sephrete mittels unserer Gedankenmacht zu Mamothma zu bringen, werdet ihr für uns nicht mehr sein wie unnützer Abfall, den wir zertreten. Seid klug und fügt Euch in Euer Schicksal.«
»Ihr würdet uns töten?« Linda war kurz davor, die Frau anzugreifen. Ihr die Faust zwischen die Zähne zu rammen.
»Es gibt Schlimmeres als den Tod.«
Ein grausames Schweigen legte sich über das Deck. Unter ihnen rauschte der Bug des Schiffes durch den Fluss.
»He, Käpt’n. Wie lange dauert es, bis das Boot im Wasser ist?«, fragte Brad.
»Etwas mehr als fünf Minuten«, entgegnete Akbar. Auf seiner Stirn perlte Schweiß.
Brad sprach aus, was sie alle dachten. »Meine Freunde - dann haben wir ein großes Problem!«
16
Über Grace spannte sich der Himmel.
Nein - es war nicht der Himmel, es waren Felsen. Aber sie sahen aus wie ein Sternenhimmel. Der Fels glitzerte bezaubernd. Es duftete nach Kräutern, und sehnsüchtige Stimmen ließen sie erschauern. Unter sich spürte sie die Härte von Stein. Sie hob den Kopf. Ihr Körper war mit bunten Blüten umsäumt. Sie fiel wieder zurück. Sie schloss ihre Augen.
Es war nur ein Traum.
Ein wunderschöner Traum. Sie war Sephrete! Sie war diejenige, auf die ER gewartet hatte. Und nun war sie hier hingeschwebt. Es war ein unvorstellbares Gefühl gewesen. So ... rein! So ... edel! Sie hatte geweint und Glückseligkeit hatte sich in ihr ausgebreitet. Hier nun war sie gestrandet. Auf diesem Fels, geschmückt mit Blumen und betört durch duftenden Rauch.
Nein, es war kein Traum.
Es war wirklich geschehen und geschah noch immer. Säuselnde Stimmen drangen in ihren Kopf und sangen Lieder und Melodien von unvorstellbarer Klarheit. Sie stand am Ende eines Weges. Sie wurde benötigt!
Also schlug sie ihre Augen wieder auf und blickte hinein in diese Goldmaske. Hinter der Maske pumpte dumpf der Atem desjenigen Wesens, welches sie geholt hatte. Hinter den dunklen Öffnungen glitzerten rote Augen. Das weiße Gewand war bestickt und verziert. Schwarze Fingernägel strichen sanft über ihren Körper.
Sie war bekleidet mit hellblauer Seide. Man hatte sie schön gemacht. Hatte sie für einen Festakt angezogen. Grace seufzte.
Sie war Sephrete und es war ihre Aufgabe, hier auf diesem Stein zu liegen.
Es war ihre Aufgabe, seitdem sie diese Welt betreten hatte. Es war die Erfüllung ihrer Wünsche.
Sie erinnerte sich daran, von IHM geträumt zu haben. Damals, als man sie noch Grace genannt hatte. Sie erinnerte sich daran, sich vor den schwarzen Fingernägeln geekelt zu haben. Sich gefürchtet zu haben vor dem, was sich hinter der goldenen Maske verbarg.
Oh, wie weit sie nun entfernt war.
Schimmerte da nicht sogar der Hauch einer Erinnerung in ihr? Schwang da nicht ein Name? War sie mit diesem Namen verbunden? Aber ja! Sie hatte IHN einst geliebt. Sie hatte ihn begehrt und vergöttert und - sie hatte ihn getötet! Alles dies war so unfassbar lange her. Es war wie eine Geschichte, die man sich erzählte. Eine Geschichte, die Wahrheit geworden war.
Sie wartete. Sie war Sephrete und sie wusste, was man von ihr verlangte. Was ER von ihr verlangte. Er hatte geschworen, zurückzukehren. Und er hatte seinen Schwur gehalten. Seine Jünger hatten sich ihrer angenommen und hatten sie an diesen Ort gebracht. Und ER - dessen Name
MAMOTHMA!
war, beugte sich über sie und seine schwarzen Fingernägel spielten mit ihrem Seidenstoff. Er sprach zu ihr. Es waren Worte der Liebe und der Trauer.
17
Wie auf ein geheimes Kommando hin, rannten sie los.
Sie hasteten nach links weg, am Pool vorbei, sprangen die Stufen zur
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