Der Totenwächter - Roman (German Edition)
mich töten!«, rief sie klagend.
»Ich hole dich raus«, antwortete Linda. Vor ihr tanzte Mamothma. Sein Körper schien zu brennen. In der Hand hielt er eine Waffe. Ein Dolch? Die Schneide war gewunden wie das Horn eines Widders. Er hielt diese Waffe über den Kopf. Hinter der Maske glühten rote Augen. Sein Gewand war von Flammen benetzt.
Es war ein verrückter Veitstanz. Und es sah aus, als sei Mamothma endlich bereit, sein Werk zu vollenden. Die Wände der Kammer strahlten. Wispernde Stimmen huschten durch die Höhle. Aufregung machte sich breit. Ja, Meister! Deine Jünger sind bei dir! Ja Meister! Die Stimmen wurden lauter, als kehrten sie heim, zurück von dem Schiff, als ließen sie die Touristen, die sie als Wirte missbraucht hatten, zurück.
Linda zwängte sich weiter vor. Himmel! Oh nein! Sie steckte fest und konnte nicht weiter. Die Öffnung war nicht breit genug. Ihre Oberarme wackelten hilflos. Sie war wie ein Korken, den man nicht bewegen konnte. Hilflos! Zu guter Letzt hilflos! Nach all dem, was sie erlebt hatte ... Verdammt dazu, als Beobachterin zu fungieren. Erneut brandete Zorn in ihr auf. Aber alle Kraft genügte nicht. Sie hatte sich selbst gefangen. Sie steckte fest und konnte sich nicht mehr bewegen.
»Mom ... so tu doch etwas«, winselte Grace.
Linda wand sich wie ein Wurm. Es war vergeblich. Was sollte sie Grace sagen? »Warte noch... warte noch ... Liebste«, erneuerte sie ihren Mut und drückte und schob, ohne sich einen Millimeter zu bewegen. Sie stemmte ihre Arme gegen den Schutthaufen und versuchte, den Rest ihres Körpers durch die schmale Öffnung zu zwängen. Schmerzen quälten in ihrem Hüftgelenk. Ihre Bemühungen waren vergeblich.
Mamothma verharrte. Er drehte sich zu Linda um. Die Flammen umloderten ihn, ohne ihn zu verbrennen. Es war furchterregend. »Oh, nein, Mutter von Sephrete. Sie ist meine Liebste und sie war es stets. Es ist gut, dass du hier bist. Es ist gut, dass du siehst, was mit deiner Tochter geschehen wird. Denn ich will, dass du nach ihrem Tod an meiner Seite bist. Dass du gemeinsam mit mir die neue Dynastie regierst. Ich wollte, dass du freiwillig kommst. Deine Liebe zu deiner Tochter sollte dich hertreiben. Darum ließen meine Jünger dich gehen. Es war ein großes Spiel und du bist würdig. Du bist auserwählt. Du bist eine gute starke Frau. Du wirst die Frau des Herrschers sein. Die neue Frau von Mamothma!« Er lachte dumpf und tanzte von ihr fort.
»Unsinn«, fauchte Linda. »Sie ließen mich nicht gehen. Ich flüchtete. Ich trickste sie aus. Ich war besser als deine Jünger!«
»Denke was du willst, Weib«, knurrte es unter der Maske hervor. »Du bist hier!«
Grace schüttelte ihren Kopf hin und her. »Verdammter Mistkerl«, fluchte sie. »Lass meine Mom und mich in Ruhe!« Diese einfachen und naiven Sätze klangen hilflos, waren die eines Mädchens, das nunmehr ein Kind war, eines, das glaubt, das Böse mit Flüchen vertreiben zu können.
Mamothma schwebte zum Sarkophag und blickte auf Grace hinab. Er prüfte den gewundenen Dolch mit seiner Daumenspitze. Sein Kopf schnellte herum. Die goldene Maske blitzte Linda an. Mamothma war ein Schattenriss im grellen Licht. Es waren keine Scheinwerfer. Es waren die Wände. Sie leuchteten aus sich heraus.
»Und nun schau, was ich mit meiner Geliebten machen werde, Menschenfrau. Und bewundere mich dafür. Es wird sehr schnell gehen. Und danach wird die große Allmacht auch auf dich strahlen. Ich werde etwas davon mit dir teilen. Schau zu und trauere nicht. Was sich dir eröffnen wird, ist schöner und größer, als es dein jämmerliches Menschenleben jemals sein kann. Es ist ein neuer Anfang. Ein neuer Anfang für diese Welt. Wir werden sie uns untertan machen. Du und ich. Mamothma und sie, die man Sephretes Mutter nennt.« Er ließ eine Hand über Graces Leib schweben. »Oh, wie schwer es ist, zu töten, was man liebt. Und doch ist es das größte Opfer, dessen wir fähig sind. Ich liebte Sephrete alle die Jahre. Ich verzieh ihr, dass sie mich vergiftete. Ich wartete, bis sie wiederkehren würde. Geduld wird stets belohnt.« Er hob seinen Dolch.
Linda schrie markerschütternd. »Töte mich! Lass sie leben und töte mich!«
Mamothma fuhr herum. Sein Zeigefinger schnellte vor. Seine Ringe reflektierten das unwirkliche Licht, welches die Wände abstrahlten. Er lachte dröhnend. »Das ist es, was ich hören wollte! Du bist auserwählt. Du bist wirklich jene, die für ihre Tochter sterben würde. Du liebst
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