Der Toyota Weg
Beseitigung verlangen. Alle Beteiligten sind motiviert, Abhilfe zu schaffen und Ineffizienzen zu beseitigen, weil der betroffene Prozess sonst stoppt. Im Gegensatz dazu sind traditionelle Geschäftsprozesse dazu angetan, selbst ausgeprägte Ineffizienzen zu verschleiern, ohne dass irgendjemand sie bemerkt. Alle Beteiligten nehmen es einfach als selbstverständlich hin, dass ein Prozess oft mehrere Tage oder gar Wochen dauert. Sie erkennen nicht, dass ein schlanker Prozess dasselbe Ergebnis in wenigen Stunden oder manchmal sogar Minuten produzieren kann. Um die Tatsache zu illustrieren, dass die meisten Geschäftsprozesse aus nicht werthaltigen und überflüssigen Elementen bestehen, wollen wir hier annehmen, Sie seien befördert worden und bestellten nun neue Büromöbel aus hochwertigem Holz, einen ergonomisch geformten Bürostuhl und diverse Rollcontainer mit Schubladen. Sie können gar nicht abwarten, bis Sie die abgewetzten, fleckigen Möbel loswerden, die bisherIhr Büro verunziert haben. Aber schmeißen Sie das Zeug ja nicht vor der Zeit raus! Erstens ist der versprochene Liefertermin für Ihre neuen Möbel erst in acht Wochen, und bei näherem Hinsehen werden Sie feststellen, dass die Möbel vermutlich mit einem Monat Verspätung kommen. Warum dauert das so lange? Wird jedes Stück Holz von einem besonders geschickten Schreiner so lange bearbeitet, bis es wirklich perfekt ist? Ein netter Gedanke, aber Qualität hat mit dieser Verspätung wenig zu tun. Ihr ärgerliches Warten ist das Ergebnis eines holprigen Herstellungsprozesses, der sich „Batch and Queue“ nennt. Ihr Schreibtisch und Ihr Bürostuhl werden in verschiedenen Stufen massengefertigt. Große vorgefertigte und standardisierte Teile stapeln sich am Ende einer jeden Fertigungsstufe und warten lange (verschwendete) Zeit darauf, weiterverarbeitet zu werden.
Betrachten Sie den maßgeschneiderten Bürostuhl, der zwei Monate nach Bestellung geliefert wird. Die Wert generierende Arbeit (das heißt, die tatsächlich ausgeführte Arbeit) im Montageprozess besteht darin, die Polsterteile zusammenzufügen, sie mit Standardschaumstoffkissen zu überziehen und das Ganze dann zu einem Stuhl zusammenzuschrauben. Das dauert maximal einige Stunden. Die Herstellung des Stoffüberzugs, des Schaumstoffs, des Gestells und der Teile, die parallel produziert werden, dauert höchstens einen weiteren Tag. Die übrige Zeit der zwei Monate, die Sie auf den Stuhl warten müssen, ist Verschwendung (
muda
). Warum gibt es so viel Verschwendung? Die Abteilung, die die Sitzbezüge herstellt, der Zulieferer, der die Federung herstellt und das Schaumstoffwerk, das das Schaumstoffkissen herstellt, produzieren ihre Artikel stets in großen Massen, die sie dann an den Möbelhersteller liefern, wo sie in Zwischenlagern gestapelt werden. Sie als Kunde warten dann darauf, dass jemand die Teile aus dem Lager holt und daraus einen Stuhl fertigt. Noch mehr verschwendete Zeit. Addieren Sie dazu mehrere Wochen, bis der Stuhl das Möbellager verlässt, durch das Distributionssystem geschleust wird und schließlich in Ihrem Büro landet, und schon haben Sie Wochen, in denen Sie gezwungen sind, weiterhin auf Ihrem unbequemen alten Stuhl zu sitzen. In einem TPS-geprägten beziehungsweise schlanken Umfeld besteht das Ziel darin, einen One-Piece-Flow zu schaffen, indem überflüssige Prozessschritte und verschwendete Zeit, die beide keinerlei Wert zur Fertigung und Lieferung Ihres Stuhls generieren, konsequent eliminiert werden. Schlanke Initiativen in Unternehmen wie Herman Miller und Steelcase verkürzen den Prozess der Möbelfertigung auf wenige Tage.
In Kapitel 3 wurden die acht nicht werthaltigen Elemente zusammengefasst, die Toyota kontinuierlich aus seinen Prozessen entfernt:
1. Überproduktion
2. Wartezeiten
3. unnötige Transporte
4. zu viele oder falsche Prozessschritte
5. Lagerüberhänge
6. unnötige Bewegungen
7. Fehler
8. ungenutzte Kreativitätspotenziale der Mitarbeiter
(In Kapitel 10 werden wir über zwei weitere Quellen der Verschwendung –
muri
und
mura –
sprechen, was so viel heißt wie „Überlastung“ und „Unausgeglichenheit“.)
Wie lässt sich werthaltige von nicht werthaltiger Arbeit unterscheiden? Denken Sie an ein Büro, in dem Ingenieure damit beschäftigt sind, Produkte zu entwickeln. Sie sitzen vor ihren Computern, definieren technische Spezifikationen und halten Meetings mit Kollegen oder Zulieferern ab. Verrichten sie Wert generierende Arbeit?
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