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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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Trotzdem preschte sie auf ihn zu, trotzdem versuchte sie es. Er spreizte seine Flügel und öffnete die Augen. Dann schoss er geradewegs empor, entfernte sich rasch von ihr, und sie war inzwischen so nah über dem Boden, dass sie einzelne Schreie und Rufe der Menschen hörte.
    »Großer Gott … hast du gesehen …«
    »Es ist ein echter Drache, Jesus Maria …«
    »Miranda! Leg dich sofort hin ….«
    Rue jagte ihm als ein langer, silbriger Schweif hinterher. Sie machte sich keine Gedanken mehr über natürliche Wolkenformen. Ihr einziges Ziel war es, ihn zu erreichen, ehe es ihn vollends zerriss. Er flog, schmal und bis aufs Äußerste angespannt, als habe er etwas vor Augen, und seine Flügel bildeten einen festen, starren Bogen, sodass sein Schwanz
hinterherflatterte. Fast schaffte sie es nicht, ihn einzuholen. Immerhin kamen sie rasch voran. Immerhin rollten die Gebäude und Straßen und grünen Parks unter ihnen in einem verschwommenen Schatten dahin. Sie hoffte, dass weniger Menschen nach oben schauten, da sie von Stadtteil zu Stadtteil sausten.
    Die Sonne glitzerte am Horizont. Unter ihnen war Wasser, die Themse. Und dann begriff Rue, was er wollte … wenn es ihm denn gelang.
    Noch zwei Mal vollzog er die Wandlung, ehe sie die Docks erreichten. Zunächst war er Rauch, dann Mensch, und beim zweiten Mal war sie schon vorbereitet, schon unter ihm, um seinen Körper mit ihrem eigenen zu stützen. Sie fing ihn dieses Mal geschickter auf und hielt ihn so sanft fest, wie sie es wagte, die Augen auf die Lagerhäuser geheftet, die am Horizont auftauchten wie verschwommenes Spielzeug eines Riesen.
    Wo waren sie? Bislang war alles so schnell geschehen, dass sie sich an kaum etwas erinnern konnte außer den Gestank des Flusses und den an ihnen vorbeirasenden Strom von Dachschindeln.
    Kit bewegte seinen Arm. Er hob ihn, um ihr Bein zu umfassen und mit seinen Fingern über ihre Schuppen zu streichen, schaffte es aber nicht und ließ die Hand wieder schlaff hinabsinken.
    Dort. Eines der größten Gebäude von allen und das einzige mit einem Loch im beschädigten Dach. Ein Schwarm Möwen saß auf dem freigelegten Gebälk. Alle zugleich drehten sie ihre Köpfe, um ihren Sturzflug zu beobachten; Hunderte von schwarzen, glänzenden Augen. Dann stoben sie kreischend davon und blendeten Rue mit einem Wirbelwind von Flügeln und Federn und scharfen, gelben Schnäbeln.

    Kit verwandelte sich zu Rauch und sie ebenfalls. Er ließ sich in das Lagerhaus fallen, wieder in menschlicher Gestalt, und sank inmitten des Schutts auf die Knie. Sie legte beide Arme um ihn und zerrte ihn auf die Beine.
    »Maus«, sagte er und warf ihr einen verwirrten Blick aus zusammengekniffenen Augen zu. Sie jedoch zog ihn bereits in das kleinere Zimmer, stolperte über Dachziegel - war denn wirklich niemand zurückgekommen, um hier aufzuräumen? -, führte ihn durch die steinerne Türöffnung und ließ ihn zu Boden gleiten. Mit einem heiseren Fluch rollte er sich auf dem Granitboden auf die Seite, stützte sich auf seine Arme, mit denen er sich dann hochdrückte, und schüttelte sich das Haar aus der Stirn.
    »Ich bin gleich wieder da«, beruhigte ihn Rue und machte einige Schritte zurück zur Türschwelle. »Bin gleich wieder da.« Und sie schloss die Tür, ehe er zu ihr zurückblicken und die Lüge auf ihrem Gesicht erkennen konnte.
    Es gab kein Schloss. Da war nur ein mächtiger Eisenriegel unter dem Griff, den sie vorschob und mit dem sie Christoff im Innern einsperrte.
    Dann fiel sie nach Luft ringend auf die Knie und schlang die Arme um ihren Oberkörper.
    Hinter der Metalltür hörte sie seine Stimme, ein hohles Aufund Absteigen von hoffnungsloser, tiefer Verzweiflung.
    »Ruuuueeeee ….«
    Sie verwandelte sich in Rauch. Eine Weile lang blieb sie unter der Decke schweben, wartete ab, ob sie entdeckt werden würden, doch obschon die Leute um das Lagerhaus herumliefen, machte sich niemand die Mühe, die Ruine zu betreten. Also stieg sie noch weiter empor und verteilte sich so weitläufig, wie sie es wagte; das Trugbild einer Wolke, die in die Richtung ihres Zuhauses trieb.

    Ihr Haus war versiegelt, das wusste sie so gut, dass sie nicht nach irgendeiner kleinen, verborgenen Öffnung suchen musste. Es würde keine geben. Sie glitt über das Dach und sah genauso uninteressant wie Dampf aus, der an einem warmen Tag vom nassen Holz aufsteigt. Aber es hatte gar keinen Regen gegeben, und der Tag war auch nicht warm.
    Wenigstens war keines der anderen Häuser

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