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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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Häusern eingeschlossen. Nur auf einigen der höchsten Dächer und Spitzen lag noch die Sonne. Männer gingen mit tief heruntergezogenen Mützen und ihren Händen in den Taschen umher. Der Gestank von verfaulendem Fisch überzog alles wie ein Öl, von den Straßenschildern über die Backsteine bis hin zum Putz.

    Rue ließ sich vom Kutscher hinaushelfen, ihren geflochtenen Korb über einen Arm gehängt. Der Schleier, der über ihren Hut drapiert war, verdeckte ihr Gesicht, aber leider auch ihre Sicht. Beinahe hätte sie die letzte Stufe verpasst.
    »Seien Sie vorsichtig, Miss.« Er achtete darauf, dass sie auf der Straße sicheren Stand fand. »Sind Sie sicher, dass Sie hier richtig sind, Miss?«
    »Ja.« Sie begann damit, die Münzen aus ihrer Börse in ihre behandschuhte Handfläche zu zählen.
    »Scheint mir nicht der angemessene Ort für eine Dame zu sein«, fuhr der Mann mit hartnäckiger Freundlichkeit fort. »Aber Sie sind sich sicher, ja?«
    »Völlig sicher.«
    »Soll ich auf Sie warten, Miss?«
    Rue drückte ihm die Münzen in die Hand. »Nein. Auf keinen Fall.«
    Er kratzte an seiner Perücke, musterte sie eindringlich, ihren modisch schiefen Hut und den weißen Schleier, den zarten, marineblauen Popelinestoff ihres Kleides. Er verschwendete keinen Blick auf seine Bezahlung.
    »Es macht mir nichts aus«, beharrte der Bursche. »Könnte besser sein, Miss, wenn ich an der Ecke warte.«
    Rue tat so, als müsste sie ihren Korb zurechtrücken, und machte einen Schritt zur Seite auf die Pferde zu, die die Kutsche zogen. Das nächststehende Pferd, ein graues Tier, hob den Kopf, schüttelte ihn und stieß ein unglückliches Schnauben aus.
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte Rue. Dann machte sie noch einen weiteren Schritt in Richtung der Pferde. »Danke sehr.«
    Der Graue scharrte mit dem Vorderbein. Der Rotfuchs neben ihm buckelte und trat aus, dann stemmte er sich ins Geschirr.

    »Ruhig, ruhig«, rief der Mann und eilte an ihre Seite. Als er Rue den Rücken zugekehrt hatte, machte sie einen letzten Schritt nach vorn, was genug war, den Grauen dazu zu bringen, ein warnendes Wiehern auszustoßen, und was den Rotfuchs dazu bewegte, noch einmal unbeherrscht mit dem Huf auszuschlagen.
    »Ho! Ho, Joseph. Ganz ruhig, mein Junge!«
    Rue drehte sich um und eilte die Hauptstraße hinunter. Hinter ihr stieß der Graue ein weiteres Wiehern aus. Sie schlüpfte in eine Seitenstraße.
    Als sie um die Ecke verschwunden war, nahm sie sich einen Augenblick Zeit, um zu lauschen. Sie konzentrierte sich auf das entfernte Murmeln des Kutschers, leise und beruhigend, und dann auf das aufgebrachte Wiehern seiner Pferde, die mit ihren Hufen über den Boden scharrten. Andere Menschen liefen an den Häuserblocks zwischen ihr und der Kutsche vorbei; Männer, die langsameren Schrittes gingen, Stimmen, die über Flachs, die augenblicklichen Winde und die Kohlepreise zwischen London und Hull diskutierten.
    Schließlich gelang es dem Kutscher, seine Zugpferde zu besänftigen. Sie hörte, wie die Zügel angezogen wurden und die Kutsche davonratterte.
    Rue überdachte ihre nächsten Schritte. Sie war nicht häufig genug in dieser Gegend gewesen und wollte nicht riskieren, sich in den Gassen zu verirren. Also musste sie den einzigen Weg einschlagen, den sie kannte.
    Der Schleier war nur eine unzureichende Vorsichtsmaßnahme. Aber sie bezweifelte, dass sie jemanden treffen würde, den sie kannte, oder auch nur jemanden, dem sie als Rue Hilliard begegnet war. Doch wenn durch einen unglücklichen Umstand ein verrückter, noch dazu nackter Edelmann, eingeschlossen in einer Lagerhalle, entdeckt würde, wäre es besser,
wenn man ihr Gesicht nicht in der Öffentlichkeit sähe. Sie legte keinen Wert darauf, dass man sie hier in Erinnerung behielt.
    Der Gazestoff klebte wie ein weißer Film auf ihren Wangen. Der Korb hüpfte auf ihrer Hüfte. Sie lief an Händlern und Prostituierten vorbei und versuchte, durch den Mund zu atmen, um dem üblen Gestank zu entgehen. Ein Schwarm Tölpel kreiste über ihr, und ihre Schreie wurden vom Wind davongetragen. Als sie zu ihnen hinaufsah, hatten sie sich schon zu einer Linie formiert und verschwanden aus ihrer Sicht.
    Ein Mann näherte sich ihr. Er lief anders als die anderen, sein Gang hatte etwas kaum merklich Gleitendes an sich, eine Eigenheit, die sie sofort erkannte. Ein Taschendieb. Rue drehte sich nach links, um ihm zu entgehen. Doch durch Zufall war die Straße an dieser Stelle weithin leer, und nicht

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