Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
einzudringen und sich in ihren Räumen umzuschauen. Die Drákon konnten sich an keinem Ort manifestieren, den sie nicht zuvor gesehen hatten.
Und er war unverfroren. Jeder, der aus Darkfrith floh, setzte alles aufs Spiel. Die Strafe für einen Läufer war gewöhnlich Einkerkerung. Oder der Tod.
Und listig musste er sein. Bis vor Kurzem hatte ihn niemand vermisst.
Auch dreist, denn er ließ zu, dass die Presse ihn berühmt machte, und stahl trotzdem weiter.
Und er hatte Glück. Denn ihm war das eine gelungen, was Christoff selber nie fertiggebracht hatte: Er hatte die Fesseln seiner Geburt gesprengt.
»Ich werde morgen abreisen«, sagte er, ohne seinen Kopf von den schwarzen Fensterscheiben abzuwenden.
»Morgen? Aber das ist drei Tage zu früh …«
»Ich versichere Ihnen, Rufus, dass ich ebenfalls zählen kann. Ich will zu einem früheren Zeitpunkt eintreffen, als die Zeitungen angekündigt haben. Sie und der Rest werden wie vorgesehen mit dem Diamanten folgen.«
»Der Rat …«, setzte George an.
»Ich weiß, es wird ihm nicht gefallen. Aber sie werden es hinnehmen. Weil ich es bin.«
Eine weitere Regel. Kein Mitglied des Stammes verließ die Grafschaft ohne die Erlaubnis des Rates. Abgesehen natürlich vom Alpha.
Er wartete, ohne sich umzuwenden, und lauschte auf das Knistern des Feuers.
George schob seinen Stuhl zurück. »Sehr wohl, Mylord.«
»Glauben Sie wirklich, dass das klappt?«, fragte Rufus. »Werden wir unseren Rauchdieb aus der Reserve locken, indem wir den Diamanten im Museum ausstellen?«
»Es wird funktionieren. Er würde wegen des Steins niemals hierherkommen. Aber er glaubt, London sei sein Gebiet. Er wird nicht widerstehen können.«
»Es ist ein großes Risiko, zuzulassen, dass der Stein die Grafschaft verlässt«, sagte George ruhig. »Der Rat hat in dieser Sache recht, Mylord.«
»Es muss der echte Stein sein. Das wissen Sie. Er wird eine Fälschung sofort erkennen. Und es werden viele von uns da sein, wohingegen er ganz allein ist. Das Stewart-Museum ist groß genug, sodass sich so viele von uns, wie wir wollen, unter die Menge mischen können.«
»Sehr wohl, Mylord.«
Hinter ihm nutzten die Bediensteten - allesamt Stammesmitglieder - die Gelegenheit, um nun, da er aufgestanden war, rasch die Überreste der Mahlzeit abzuräumen. Als würden sie einen Geist sehen, warfen sie ihm einen kurzen Blick zu und verschwanden dann ebenso lautlos, wie sie gekommen waren.
Kit hatte sich im Laufe der Jahre an diese Blicke gewöhnt, die halb ängstlich, halb ehrfurchtsvoll waren, als ob er eine Kreatur wäre, die selbst über ihnen stünde. Als wäre er … unbezwingbar.
Etwas wehmütig dachte er an all die Male, als er selbst hatte weglaufen wollen, um Darkfrith zu entkommen. Er warf
einen Blick hinauf zu den Sternen, die den kalten Himmel überzogen, und Neid auf den Dieb durchzuckte ihn, durchdringend wie ein Schmerz. Es war nur ein kurzes Aufblitzen, denn er erstickte das Gefühl.
»Er wird kommen, um den Diamanten zu stehlen«, sagte er dann sehr ruhig.
Ich zumindest würde es tun .
Nackt und allein kauerte er auf dem höchsten Sims des gewölbten Daches des Herrenhauses und ließ den Wind sein Haar aufwirbeln, seine Haut kühlen, seine Muskeln anspannen: Er war so an die Erde gebunden wie die steinernen Gargoyles, wasserspeiende Fratzen, die von Chasen Manors Zinnen hinab die Zähne fletschten. Die Sterne waren hier näher, aber niemals greifbar genug. Christoff erhob sich und machte einen Satz vom Dach.
Einen Augenblick lang fiel er. Dies hatte etwas wahrhaft Entsetzliches an sich, das das Blut zum Brodeln brachte und einen Energiestoß bis ins Herz jagte. Doch in letzter Sekunde verwandelte er sich, und der näher rasende Boden wurde verschwommen. Der Wind trieb ihn in die Höhe, hinauf in den Himmel.
Er war frei.
Kit schoss über die Landschaft hinweg, das Herrenhaus wurde kleiner, die Einzelheiten am Boden verschmolzen mit der Dunkelheit, den Wäldern und den winzigen Lichtern. In dieser mondlosen Nacht würden sicher noch andere draußen sein - seine Jäger, seine Wachen -, doch er spürte sie, bevor sie ihn wahrnehmen konnten, und so glitt er über sie hinweg, zu rasch, zu wild, als dass sie ihm hätten folgen können.
Nicht, dass sie das überhaupt vorgehabt hätten. Sie wussten gut genug, wann sie ihn in Ruhe lassen mussten.
Er ritt besser als jeder andere auf den Winden und ergründete die Geheimnisse der Nacht, wohin er sich wenden, wo er sich verbergen
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