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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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konnte. Vom ersten Augenblick an, da es ihm möglich geworden war, hatte er sich auf diese Weise davongestohlen: von der ersten Nacht seiner Wandlung an. Mit zehn Jahren war er der Jüngste seines Stammes, der jemals die Prüfungen der Wandlung überlebt hatte. Aber er hatte sie überstanden. Und den Sternen am Himmel gleich konnte Kit fliegen.
     
    Far Perch , Ausguck , dieses elegante Londoner Herrenhaus, war verlassen.
    Natürlich hatte er das erwartet, doch trotzdem fand er die leeren Fenster und die schmucklose Vordertreppe beunruhigend. Seine Mutter hatte Kübel mit Rosen an der Tür stehen gehabt, mit gekräuselten, korallenroten Blüten, die im Sommer nach Gewürzen rochen und im Winter zu dornigen Stöcken niederschrumpften. Wie seltsam; bis zu diesem Augenblick hatte er das vergessen. Sein Vater, so erinnerte sich Kit, hatte sie nach ihrem Tod herausgerissen.
    Die Kübel standen nun leer, und nicht einmal Spinnweben flatterten im Wind. Er legte einen Finger auf den Rand aus Kalkstein, gebräunte Haut auf verwittertem Weiß, dann ließ er die Hand sinken. Noch einmal betätigte er den Türklopfer.
    Niemand kam. Er hatte die alten Verwalter seines Vaters in seinen Diensten belassen - keine Drákon, denn man konnte keinen des Stammes so lange ungehindert in der Stadt lassen -, doch es hatte den Anschein, dass sie ihn nicht hören konnten. Es war ein verdammt großes Haus.
    Oder vielleicht waren sie ausgegangen?
    Es war auch niemand gekommen, um sich um seinen
Hengst zu kümmern; er musste ihn selber in einen Stall hinter dem Haus führen.
    Kit griff nach dem Schlüsselbund in seiner Tasche und schloss die Flügeltüren auf.
    »Hallo?«
    Der alte Stilson erschien nicht, ebenso wenig seine Frau. Kit warf einen Blick hinter sich auf die eleganten, quadratischen Gebäude, die Bäume und das Kopfsteinpflaster rings um das Herrenhaus, dann trat er in das Vestibül und schloss die Türen hinter sich.
    Er hasste London. Er hatte das Gefühl, dort zu ersticken und von den Hemmnissen durch die Menschen und von den Maschinen und dem niedrigen, trüben Himmel gleichsam beschmutzt zu werden. Aber da er der Marquis von Langford war, hatte er sich an die kleineren Unannehmlichkeiten des Stadtlebens gewöhnt, an die Gerüche und die schrillen Geräusche, das ständige Gedränge auf den Straßen. Er wusste, wie er sich bewegen, sich unterhalten und lächeln musste, wenn man es von ihm erwartete. Und doch gab es da immer wieder diese grausamen, unerwarteten Augenblicke, wenn Kit befürchtete auseinanderzubrechen und mit aller Verzweiflung wünschte, er könnte fort, nur um einen klaren, sauberen Ort zu finden, an dem er atmen konnte. Aber einen solchen Platz gab es nicht. Nicht hier.
    Jenen seiner Art erging es nicht gut in Städten. London, das glitzernde, erstickende London, war jedoch ein notwendiges Übel. Wenn alles gut ging, würde er in einer Woche wieder fort sein.
    Er hatte keine Ahnung, wie sein Vater das all die Jahre lang ertragen hatte. Der alte Marquis hatte das Haus am Grosvenor Square erbaut und ihm auch seinen Namen gegeben, was der einzige Anflug einer Laune in seinem ganzen Leben gewesen
sein musste, hatte seine Pflichten als Lord erfüllt und sogar beim König vorgesprochen, wenn man ihn darum ersucht hatte. Ein anderes Verhalten, so hatte er Kit erklärt, würde nur Anlass für Spekulationen geben. Keiner von ihnen brauchte das.
    Jahrelang hatte Kit das Herrenhaus gemieden. Wann immer London rief, hatte er Gasthäuser, Klubs und Orte ohne Seele oder schweigend missbilligende Räume vorgezogen. Doch diese Reise war einzigartig. Anstatt seine Anwesenheit zu verschleiern, machte er weithin auf sie aufmerksam, und so wurde das Haus seines Vaters zu einer weiteren Notwendigkeit.
    Er schritt durch die verlassenen Flure, öffnete Türen, zog Tücher von Möbeln und wirbelte Staub und Erinnerungen auf.
    O ja, Far Perch - der Ausguck.
    Hier, im blauen Salon, hatte seine Mutter oft mit ihren Stickarbeiten gesessen, ganz in Spitze und steifen Rüschen, die Lippen vor Konzentration gespitzt und mit blitzender Nadel.
    Hier, an diesem Geländer der Haupttreppe, hatte sich der sechsjährige Christoff einst einen Zahn ausgeschlagen, als er an einem der gebohnerten Absätze herumturnte.
    Hier war das Schlafzimmer, in dem sein jüngerer Bruder geboren worden und - Stunden später - gestorben war und ihre Mutter mit sich genommen hatte.
    Und hier. Die Bibliothek seines Vaters, ein glänzendes Zimmer voller

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