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Der träumende Diamant 1 - Feuermagie

Titel: Der träumende Diamant 1 - Feuermagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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erneut zu ihm aufsah, lag ein anderer Ausdruck in ihren Augen, und auf ihren Lippen malte sich eine Spur von Belustigung.
    Nein, nicht Belustigung, begriff er. Spott.
    Und dann, erst dann, erinnerte er sich daran, was sie gestern Nacht zu ihm gesagt hatte. Wie sie so ruhig mit ihm gesprochen hatte, und wie es ihn erschüttert hatte: Vergewaltigung oder Verführung, als ob es nichts anderes gäbe.
    Sein Vater hatte Kit einst nach einer gemurmelten Beleidigung geschlagen - von hinten, das einzige Mal, dass er seinen Sohn je geschlagen hatte, und es hatte sich ganz genauso angefühlt, eine übelkeiterregende Atemlosigkeit, die ihn zerriss, die ihn aufgelöst und sprachlos zurückließ, bis er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.
    Sie wandte sich um und ging zum Bett, setzte sich, lehnte sich zurück, wobei sie sich auf die Hände stützte, und sah zu ihm empor. Die Decke verrutschte ein wenig und gab den Blick auf einen Knöchel und den weißen Bogen ihres Beines
frei. Sie zog sie nicht wieder hoch. Ihr Gesicht blieb unbeweglich.
    »Mittags«, brachte er ebenfalls mit Hohn in seiner Stimme hervor und verbeugte sich knapp vor ihr. Erst als er sich umwandte, um zu gehen, bemerkte er den neuen Schatten, der sich auf der Wand hinter ihr abzeichnete und der von den einfachen Buchstaben stammte, die frisch in den Stein geritzt worden waren:
    Keine Reue.

7
    Der Marquis von Langford hatte sich im Wetter getäuscht. Es regnete, als Rue dem Rat gegenübertrat; es schüttete so heftig, dass das Trommeln wie der Rhythmus eines Liedes in die hellblaue und silberne Pracht der Privaträume des Rates prasselte und zu einer Musik wurde, die jedes gesprochene Wort untermalte, jede Geste betonte und jeden ausgetauschten Blick verstärkte.
    Die Fenster hier waren hoch und bestanden aus zahllosen, in Blei gefassten Scheiben, durch die das Licht des verregneten Tages trübe durch den Raum waberte und die im Nachhall des Donners erzitterten. Im Kamin brannte kein Feuer, und die Wärme der drei Kandelaber reichte kaum aus, um die trübe Stimmung zu durchdringen. Wenn Rue den Blick von den Männern abwandte, die vor ihr saßen, konnte sie in der Ferne die Hügel erkennen, auf denen sie so gerne umhergestreift war und die nun in nasses Grün wie Öl auf einer Leinwand getaucht waren. Sie konnte sehen, wie die weichen, dunklen Wolken sich bis auf die Erde ausbreiteten.

    Trotz des Wetters gab es sicher Wachen, die auf dem Boden und in der Luft patrouillierten. Sie würden nicht das Risiko eingehen, sie noch einmal zu verlieren.
    In diesem Raum hatte sie ihren eigenen, besonderen Stuhl, der deutlich abseits stand, sodass sie sich den dreizehn in einer Linie sitzenden Ratsmitgliedern von Angesicht zu Angesicht gegenübersah. Die Männer hatten einen Tisch, der sie abschirmte, Rue hingegen hatte nur sich selbst. Sie grub ihre Füße tief in den Afschar-Teppich und legte die Hände in den Schoß. Sie trug ein neues Kleid, das nicht ganz so lächerlich wie das Taftkleid aussah, sondern aus schwerem, weißem Satin gemacht war. Lavendelfarbene Bänder waren um die Ärmel geschlungen, und Rosen mit zartrosa Blütenblättern waren verschwenderisch auf Mieder und Rock gestickt. Es war das Kleid einer Jungfrau, einer bezaubernden, züchtigen Maid. Es hatte sie zusammengefaltet in einer Kiste erreicht, gemeinsam mit Schuhen und einer Auswahl an Unterwäsche in feenzarter Spitze, eingebettet in Blätter aus goldenem Seidenpapier, so zart, dass sie schon den Blick freigaben, als sie nur mit der Hand darüberstrich. Eine ihr unbekannte Wache hatte die Kiste zur Zellentür gebracht. Der Marquis selbst hatte sich nicht die Mühe gemacht, noch einmal zu kommen.
    Sie hatte einen Blick auf das neue Kleid geworfen und es ihm zurückgeschickt. Rue erkannte ein Hochzeitskleid, wenn sie eines sah.
    Zwanzig Minuten später, als sie sich nach dem kurzen, flüchtigen Luxus eines Bades - in einer Zinnwanne, in der sie die Knie bis ans Kinn ziehen musste - in ein Laken gehüllt hatte, kehrte die Wache mit demselben Kleid und einer Nachricht zurück, die sie las, während der Mann ins schaumbedeckte Badewasser starrte und langsam errötete.
    Die Nachricht lautete: Dieses oder keines.

    Nun gut. Wenn Christoff Langford wünschte, dass sie für den Rat jungfräulich aussehen sollte, dann würde sie sich dem fügen. Das musste ihren eigenen Plänen nicht im Wege stehen.
    Der Spitzenbesatz an ihrem Schlüsselbein war zu kräftig gestärkt worden und scheuerte entsetzlich.

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