Der träumende Diamant 1 - Feuermagie
schmalen, grünen Augen, den er ihr zuwarf.
»Und wer ist dieser andere Läufer?«
Rue ließ ihr Lächeln zu einem breiten Grinsen werden.
»Das ist ein Trick«, platzte ein rothaariger Mann, keinen Widerspruch duldend, heraus. »Es gibt gar keinen anderen Läufer. Wir sind die Liste durchgegangen, Mylord. Sie ist die Einzige.«
Christoff nickte. »Rufus hat recht«, sagte er bedächtig. »Niemand außer dir wird vermisst.«
»Du irrst dich.«
»Wir irren uns nicht«, beharrte der rothaarige Mann.
»Sie haben mit einem Sterblichen zusammengearbeitet, das ist auch schon alles.«
»Nein.«
»Dann sagen Sie uns den Namen des Läufers. Nur den Namen.«
Rue senkte den Blick. Der Regen rauschte und pladderte.
»Zwingen Sie sie«, sagte Parrish mit dünner, angestrengter Stimme. »Zwingen Sie sie, Lord Langford, oder wir werden es tun.«
»Sie steht unter meinem Schutz«, erwiderte Christoff sofort und machte einen Schritt nach vorne, um einen Arm um ihre Rückenlehne zu schlingen. »Muss ich irgendjemanden von Ihnen daran erinnern? Bitte treten Sie vor, wenn Sie auch nur einen Hauch von Zweifel hegen. Ich bevorzuge nichts mehr als Klarheit.«
Niemand trat vor. Niemand erhob sich auch nur von seinem Stuhl. Rue bemerkte aus den Augenwinkeln, dass der Blick des Marquis leidenschaftlich und durchdringend war wie ein gleißender Sonnenstrahl, der die graue Trübheit des Raumes durchschnitt.
Rue hob das Gesicht. »Der Drákon, den ihr sucht, hat eine Zeit lang von meinem Ruf gezehrt. Ich weiß, wohin er unterwegs ist, und ich weiß, welche Leute er kennt. Ich weiß, wie er denkt. Er neigt dazu, kleinere Dinge zu stehlen, die nicht sofort auffallen. Er zieht eine - unauffälligere Form der Lebensführung als ich vor. Aber er ist dort draußen, das versichere ich Ihnen. Er hat Herte. Und Sie werden ihn ohne mich nicht finden.«
»Ich glaube ihr«, sagte der Schreiber. Alle drehten sich zu ihm um, und er errötete. »Warum sollte sie lügen? Wo doch die Wahrheit so leicht bewiesen werden kann.«
»Ja, in der Tat, warum sollte sie?«, murmelte der Marquis, wandte sich ihr langsam zu und blickte durchdringend auf sie hinab.
»Wenn Sie mein Angebot nicht annehmen«, sagte Rue unumwunden, »werde ich das Geheimnis mit ins Grab nehmen, das schwöre ich. Sie werden zwar mich haben, aber Sie werden Ihren Diamanten niemals wiedersehen. Und auch das sollten Sie wissen: Ich werde nicht freiwillig hierbleiben, egal, wie Sie entscheiden.«
Kit ließ nicht die Augen von ihr. Er starrte sie an, als könnte er durch sie hindurchsehen, als könnte er die Wahrheit durch reine Willenskraft aus ihr herauspressen. Seine Augen waren wild und hell, und eine Strähne seines goldgelben Haares umspielte die hohen, makellosen Falten seines Halstuches.
»Männer sind für weniger als dies gestorben«, bemerkte ein Ratsmitglied am Ende des Tisches beinahe ungläubig. Rue riss den Blick von Kit los.
»Ja. Aber niemand von denen kannte den Schlüssel zu Ihrem wertvollen Spielzeug, nicht wahr?«
Sie stand da und ordnete ihren weißrosa Rock so unbekümmert, als befände sie sich auf einer fête champêtre und nicht bei einer Verhandlung, die über Leben und Tod entscheiden sollte. »Vielleicht möchten Sie mein Angebot überdenken.«
Rue deutete einen kurzen Knicks vor dem Rat an, dann einen tieferen vor dem Marquis. »Sagen wir - bis vier Uhr?«
Sie zog sich zurück, Schritt für Schritt, und bewegte sich auf die geschnitzten und mit Gold besetzten Türen zu, wo die Wachen standen, die sie bis zum Zimmer begleitet hatten und die Szene beobachteten. Hinter ihr war nichts als das Lied des Regens zu hören, der gegen das Glas prasselte und auf die Hügel und Täler niederging. Sie schritt voran, als ob sie alles Recht der Welt dazu hätte, und die Männer an der Tür sahen ihr lediglich dabei zu, machten nur einen Schritt zur Seite …
»Einen Augenblick, Miss Hawthorne«, sagte der Marquis dann.
Rue blieb stehen und drehte sich wieder um. Ihr Gesicht war entspannt, obwohl ihr Magen in Aufruhr war.
»Ich denke, wir können die Angelegenheit jetzt gleich klären.« Er nickte dem Rat würdevoll zu. »Gentlemen, ich schlage einen Kompromiss vor. Gestatten Sie mir und Clarissa Hawthorne, für eine gewisse Zeit nach London zurückzukehren … sagen wir: für eine Woche. Wir jagen den anderen Läufer. Wenn wir ihn und den Diamanten finden, bekommt Miss Hawthorne ihren Willen. Wenn nicht, kehrt sie nach Darkfrith zurück und nimmt ihren
Weitere Kostenlose Bücher