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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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leisten können.
    Von seinem Balkon aus sah er, wie sich der Himmel zu färben begann. Gelbe Flammen züngelten am Himmel und schlossen sich nach und nach zu einem einzigen Bild zusammen, das die Dämmerung verdrängte und die Gebäude, Kirchtürme und Straßen erleuchtete. Die indigoblaue Weite der Parks ergänzte in diesem Morgenglühen das Schachbrettmuster. Die Stadt Pest funkelte, und der Fluss tat es der Stadt gleich; seine Ufer waren silberweiß gesäumt von übrig gebliebenen Schneetupfern.
    Die Donau war eine breite, graue Linie zwischen zwei Städten. Die Wellen waren gesprenkelt mit Fischerbooten, Fähren und großen Schwärmen von Krähen. Ihr schrilles Kreischen hallte über das Wasser zu ihm herüber.
     
    Die Vorhänge der Balkontür bauschten sich, warfen Falten und schlugen sanft gegen seine Beine. Eine Brise fuhr durch sein Haar. Er hatte seine Weste bereits ausgezogen und es sich mit einem Sherry in der Hand bequem gemacht, um die Vögel zu beobachten, als die Dielenbretter vor seinem Zimmer knarrten. Dann verstummte der Laut, als jemand vor seiner Tür stehen geblieben war.
    Zane hatte seine Pistole bereit gemacht, als das Pochen ertönte.
    »Monsieur? Monsieur Lalonde?«

    Er stemmte einen Fuß gegen die Tür, hielt die Pistole zur Seite nach unten gerichtet, sodass sie nicht zu sehen war, und drehte den Knauf. Ein schlaksiger Mann mit wässrigen, blauen Augen starrte ihm entgegen.
    »Oui?«
    »Ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich Sie störe, Sir«, sagte der Hausangestellte auf Französisch. »Man hat soeben ein Sendschreiben für Sie an der Rezeption hinterlassen.«
    Der Mann streckte den Arm aus. Ein cremefarbener Umschlag ruhte auf seiner Handfläche. Zanes Name - sein wahrer Name - und seine Zimmernummer waren in ausladender Schrift quer auf feinstem Pergament zu lesen.
    Einen Augenblick lang starrte Zane reglos darauf. Der Angestellte wartete, und sein schmales Gesicht verriet nichts. Zane schloss die Tür und steckte die Pistole hinten in den Taillenbund seiner Kniebundhosen. Dann öffnete er die Tür erneut und nahm dem Umschlag aus der Hand des Mannes entgegen.
    »Merci.«
    Er fand eine Münze in seiner Tasche - Gott allein wusste, aus welchem Land sie stammte - und steckte sie dem Angestellten zu, der lächelte, sich verbeugte und sich dann in den kerzenerleuchteten Flur zurückzog.
    Als die Tür wieder verriegelt war, brach Zane das Wachssiegel.
    Veuillez nous joindre pour notre célébration le samedi, 31
octobre, à neuf heure du soir.
Le dîner sera accompagne d’un orchestre.
Le Comte du Abony
    Zane blickte von der Einladung auf und runzelte die Stirn. Samedi war Sonnabend, also heute. Heute Abend.
    Jemand kannte ihn. Jemand wusste, dass er hier war; er hatte noch nie von einem Comte du Abany gehört, und er konnte sich nicht vorstellen, wie der Bursche etwas von ihm hatte erfahren können. Es sei denn, den Drákon wäre es irgendwie gelungen, herauszufinden, wohin er auf dem Weg war und zu welchem Zeitpunkt er wo absteigen würde …
    Aber dann hätten sie seine Zimmernummer nicht gekannt. Und Rue hätte nie den Fehler begangen, seinen wirklichen Namen zu enthüllen.
    Noch einmal schaute er zum Fluss hinaus, dann zog er mit einem Ruck die Vorhänge zu. Reglos stand er vor der Wand mit der Seidentapete und verschmolz mit den Schatten der hereinbrechenden Nacht, während seine Gedanken über Theorien, Verschwörungen und äußerst unwahrscheinlichen Zufällen kreisten.
    Durch den reinen Organzastoff sah er, wie eine Krähe auf der Steinbalustrade des Balkons landete; sie warf ihm aus wilden, schwarzen Augen einen Seitenblick zu, dann stieg sie wieder in die Luft auf.
     
    Der Comte du Albany lebte in einem wahren Palast. Zane hatte sich zu Fuß dorthin auf den Weg gemacht, als sich herausgestellt hatte, dass es vom prachtvollen Haus Königsblick aus nicht weit entfernt lag. Der Angestellte am Empfang hatte höflich darauf hingewiesen, dass selbst ein Engländer den Weg finden könnte, wenn er den Hauptstraßen folgte. Zane hatte die Adresse und eine erstaunlich weithin leuchtende Laterne bei sich, die von einer schmiedeeisernen
Stange baumelte, welche doppelt so groß wie ein Mann war.
    Er nahm an, dass nur ein äußerster Narr offen auf die freundliche Einladungskarte in seiner Tasche reagieren würde. Und jeder, der seinen Namen kannte, würde wissen, dass Zane nicht töricht war.
    Und doch war er dorthin aufgebrochen. Er schritt kräftig aus. Ihm blieben immer noch

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