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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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schwächer, nach Seife und Gewürzen. Nach ihm. Herzschlag wie Donnergrollen. Das Atmen von Vögeln. Schwappendes Wasser. Der Wind, der durch seine Haare fuhr.
    Das Rascheln menschlicher Finger, die über Pferdenüstern streichelten, durch eine Mähne …
    … die besten Herzen, die tapfersten Seelen …
    … Und dann entglitt ihr die Bedeutung seiner Worte vollends, und sie folgte nur noch ihrem Klang, dieser tiefen, beruhigenden Anmut seiner Stimme, die irgendwie alles besser erscheinen ließ, die irgendwie Furcht und Zorn fortwischte und sie durch friedliche Stille ersetzte. Und nichts, nicht das Wasser oder der Tabak oder der rollende Donner, war nun noch von Bedeutung.
    Amalia lehnte sich zurück. Sie öffnete die Augen und presste den Handballen gegen die Stirn, um einen plötzlichen Schmerz niederzukämpfen.
    Einst hatte sie ihre Mutter sagen hören, dass Zane einen Fisch dazu bringen konnte, das Meer zu verlassen, und er einen Tiger vom Baum herunterschwatzen konnte. Sie glaubte, dass er auch einen Drachen bezaubern könnte, wenn er wollte. Das war eine ihrer tiefsten Ängste.
     
    Die Pferde waren nun ruhiger. Sie rochen sie, und sie spürten sie, aber der Umschwung lag wie Balsam in der Luft. Der Drang zu buckeln war verflogen.
    Die Tür zur Kutsche öffnete sich mit einem Knirschen. Tierbändiger, Meisterdieb: Er hielt die Holzkante der Tür mit einer Hand fest, und die Sonne hinter ihm ließ seine Hemdaufschläge und Schultern wie Scherenschnitte wirken.
Das Innere der Kutsche war wie von einer Flamme erleuchtet.
    »Tu mir einen Gefallen«, sagte Zane. »Komm nicht heraus.«
    Und bevor sie antworten konnte, schloss sich die Tür, und wieder war alles dunkel.
     
    Erst am Nachmittag kam er auf die Idee, sie zu fragen, in welche Richtung sie fahren sollten.
    Er hatte sich wieder auf dem Kutschbock niedergelassen, von wo aus er die Pferde und die Straße im Auge behalten konnte. Ohne Diskussion hatte der rumänische Kutscher die Donau überquert und sie aus Pest hinausgebracht. Schon vor Tagen hatten sie ebendies vereinbart, und so hielten sie sich in Richtung der Weingärten und Wälder und der Berge. Schließlich hatte Rue das in ihrer knappen Nachricht auf dem Reispapier so vorgeschlagen.
    Aber er hatte jetzt einen Kompass in seinem Besitz, der lebte und atmete und der ihn zu seinem begehrten Objekt führen konnte. Immerhin behauptete Lia das.
    Lange Zeit starrte Zane auf den Rücken des Pferdes, das unmittelbar vor ihm angespannt war.
    Fragen wollte er sie nicht.
    Diese ganze Angelegenheit mit Lady Amalia Langford beunruhigte ihn. Was auch immer sie gesagt hatte, er würde sich nicht wundern, wenn er eines Nachts in naher Zukunft mit einem Messer - oder Schlimmerem - an der Kehle von einem ihrer vielen Familienmitglieder geweckt würde. Offenbar hatte sie ihre Flucht schon vor längerer Zeit geplant. Es kam ihm unwahrscheinlich vor, dass nicht ein einziger der Drákon ihr Verhalten bemerkt haben sollte.

    Er betrachtete die raue Landschaft, die sich nun, da sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, vor ihm auszubreiten begann. Alles war kalt und unwirtlich und feucht, und es herrschten schmutzige, graubraune Farben vor, die mit den Wolken und dem verhangenen Himmel verschmolzen. Lia gehörte nicht hierher, ebenso wenig wie ein wertvoller Diamant zwischen Erde oder Steine gehörte. Sie begaben sich beide in Gefahr. Er hatte es bereits in der Miene des Kutschers und in den Gesichtern der Angestellten im Gasthaus gesehen, selbst in denen ihrer Verehrer auf dem Ball:
    Sie war anders. Ihr Körper, ihr Antlitz. Die Art, wie sie sich bewegte, als ob es keinen Boden unter ihren Füßen gäbe. Eben anders.
    Betörend.
    Gefährlich.
    Gott. Es wäre ein verfluchtes Wunder, wenn die Bauern am Ende nicht mit Fackeln nach ihnen werfen würden, während sie vorbeifuhren.
    Die Kutsche klapperte durch eine Furche, und Zane presste die Lippen aufeinander. Seine Reaktion war unvernünftig. Ein weiteres schlechtes Zeichen. Er war daran gewöhnt, allein zu arbeiten, im Dunkeln, und er ließ die Spinne in seinem Spinnennetz die Dinge erledigen, während er sich in den Ecken versteckte, Anweisungen gab und zuschlug. Er hatte zugelassen, dass die Gier ihn herauslockte, Gier und Neugier, und nun hatte es den Anschein, als müsse er die Konsequenzen tragen.
    Andererseits hatte er aber diesen ganzen Weg zurückgelegt. Er wollte verflucht sein, wenn er jetzt mit eingekniffenem Schwanz zurückrennen würde, nur weil sich ihm

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