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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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Peitschenknall rollte es davon.
    Lady Amalia stand reglos auf dem Bürgersteig und hatte eine Hand über Nase und Mund gelegt. Sie warf Zane einen kurzen, verzweifelten Blick zu.
    »Was ist denn los?«, fragte er, was ihn dazu zwang, wieder auszuatmen.

    Sie zog die Augenbrauen zusammen. »Es stinkt zum Himmel.«
    Er wandte sein Gesicht ab und holte tief Luft, aber erleichtert stellte er fest, dass er nur den Geruch nach Stadt und Abendfrost einsog. »Nicht mehr als anderswo.« Ihr Gesichtsausdruck blieb unverändert, und er zuckte mit den Schultern. »Du hast gesagt, es würde dir nichts ausmachen.«
    Ihr Kinn senkte sich. Er sah, wie ihr Blick zur kleinen Allee huschte, die ins Schlachterviertel führte. Ein Schild, auf dem ein geschlachtetes Schwein zu sehen war, schaukelte als hilfreicher Wegweiser an einem Pfosten. Der Anfang des baumgesäumten Weges war schmal und lag bereits im Dunkeln. Eine feuchte Spur von Abwasser und blutigen Rinnsalen zog sich wie ein silberner Spiegel über das Kopfsteinpflaster. Zwei tief in Mänteln vermummte Gestalten waren kurz zu sehen und zerteilten das Silber in spritzende Pfützen.
    Aha. Zane wusste, was in diesen Schatten zu finden sein würde. Er wusste jetzt, was Amalia gespürt hatte, nämlich Tod und Hunger und diese ausdruckslosen, verarmten Menschen. Es war ein Gestank, der in den schwärzesten Winkeln seiner Erinnerung zu Hause war und dort für immer fortbestehen würde.
     
    Sein Zuhause in Bloomsbury hielt er so sauber wie ein Kloster. Er beschäftigte ein Hausmädchen und Joseph, den Koch, und er genoss den Luxus, sich die Kohlen, Eis und Früchte aus fernen, sonnenverwöhnteren Ländern liefern zu lassen. Er setzte List und Tücke ein, um alles zu bekommen, was er sich wünschte, sei es Silber oder Juwelen oder Gemälde. In seinem eigenen Herzen war er nüchtern und abgeklärt
genug, sich keine falschen Entschuldigungen dafür vorzumachen. Zane verdiente, was er an sich gebracht hatte, so wie ein Bäcker die Münzen für sein Brot verdient. Er war dazu erzogen worden zu stehlen, und wenn er es nicht tat, tat es mit Sicherheit ein anderer. Argwöhnisch sorgte er für Ordnung in seinem Reich der Schatten und stellte sicher, dass die Leute seine strikten Regeln befolgten. Er sonderte alle aus, die sich entweder nicht den Regeln fügten oder ihn herausforderten. Auf diese Weise hatte er seinen heutigen Platz errungen und ihn verteidigt.
    In seiner Welt von Gewalt, Sägespänen und nach Gin stinkenden Tavernen ließ der Geruch von Blut in der Luft keineswegs seine Nackenhaare zu Berge stehen.
    Aber Amalias Welt war immer anders gewesen. Wie tapfer sie sich auch gab, wie verrückt ihr Vorhaben auch war - sie war nicht wirklich wie er. In keinerlei Hinsicht. Sie war zu einer Dame erzogen worden, in einem Herrenhaus wohnend, von Biestern betreut, die als Menschen getarnt waren.
    Er sah, wie sich ihre Mundwinkel nach unten zogen, als ihr Blick auf das Schild fiel. Unter den Falten ihres Mantels sah er, wie sich ihre Schultern verkrampften.
    »Nein, Mylady«, hörte Zane sich sagen, und rasch sprang er zwischen sie und die glänzende Blutlache. Er hob den Arm, um Amalia in die andere Richtung zum Park hin zu führen. »Sieh doch stattdessen nach dort drüben.«
    Der Nebel stieg in schweren, durchscheinenden, wabernden Schwaden auf und umfing die bronzefarbenen Blätterkronen der Bäume. Schieferblau leuchteten sie vor dem dunkel werdenden Horizont; das Gras verschwamm bereits zu Flecken aus Lavendel, Smaragd und Braun. Weit in
der Ferne, hinter den Kirchtürmen und Giebeln der Stadt, ragte eine zerklüftete Andeutung von Bergen violett in den Himmel. Der Mond thronte weiß wie Kreide darüber am Firmament.
    Ihre Schultern entspannten sich wieder ein wenig.
    »Dort drüben«, flüsterte Zane, »dort verstecken sich Kaninchen in ihren Höhlen, und Amseln erwachen in den Bäumen. Kannst du sie spüren?«
    »Nein«, flüsterte sie ganz leise.
    »Aber sie sind dort. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es zu schätzen wüssten, wenn wir ins Haus gingen. Was meinst du?«
    Und sie lächelte.
     
    Es war genau, wie er es geahnt hatte: Im Innern des Hotels gab es viele goldverzierte Flächen, Spiegel, pfirsichfarbene Wände und mindestens zwei Lakaien, die sich unter ihren Perücken kratzten.
    Zane seufzte. Dies ließ Schlimmes für die Matratzen befürchten.
     
    Sie aßen im Speisesaal zu Abend, inmitten des niederen Landadels und einer Handvoll Edelleuten mit grau gepuderten

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