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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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Mann zu bemerken, der neben der Tür saß, bis dieser sich auf seinem Stuhl vorbeugte, eine dünne Klinge geschickt zwischen zwei Fingern drehend.
    »Das war keine Herausforderung«, verkündete Zane und ließ den Dolch, mit dem er das Schloss geöffnet hatte, wieder in seine Westentasche gleiten. »Mach das trotzdem nicht noch einmal.« Er stand auf und sah mit einem seltsam leeren Gesichtsausdruck zu ihr hinunter. Seine Haare waren zurückgebunden; die Knöpfe an seinen Armaufschlägen glänzten zinnern in der Morgensonne. »Ich schätze verschlossene Türen nicht. Und ich werde unten nicht länger als zwanzig Minuten warten.«
    Lia brauchte fünfzehn.

4
    Vor ewigen Zeiten, vor einem ganzen Märchenzeitalter, erzählte man sich, dass die Gaben der Drákon durch die Adern eines jeden einzelnen Stammesmitglieds flossen, ob männlich
oder weiblich. So sicher wie die Phasen des Mondes wuchsen die Kinder der Grafschaft zu Erwachsenen heran, die die Wandlung vollziehen konnten und zu Jägern, Kriegern und prächtigen Biestern wurden. Damals waren alle gleichermaßen gesegnet.
    Aber im Laufe der Zeit hatten die Gaben zu versiegen begonnen. Es fing zunächst bei den Frauen an, die von Natur aus erdgebundener waren, da sie sich um die Jungen kümmerten. Im Laufe von Generationen wurden es immer weniger weibliche Mitglieder des Stammes, die die Wandlung vollziehen konnten - von Mensch zu Rauch zu Drache. Sie gewöhnten sich daran, lieber durch die Wälder zu streifen, statt am Himmel zu fliegen. Ohne Schwingen verwandelten sich ihre Wildheit und ihre Fähigkeit zu fliegen in eine angestrengte Liebe zu ihren Kindern, zu Juwelen, Ehestand und langen, sehnsüchtigen Blicken hinauf zum Mond. Darkfrith war voller Frauen, die nur davon träumten, sich in den Himmel emporzuschrauben.
    Und dann versiegten die Gaben auch unter den Männern mehr und mehr. Die Geburt eines männlichen Kindes, das die Wandlung nicht vollziehen konnte, war zwar noch immer selten, aber die Wandlung selbst wurde schwieriger und verstohlener. Der erste, gewaltige Augenblick, gewöhnlich ungefähr im vierzehnten Lebensjahr eines Jungen, dieser wilde und furchterregende Moment, wenn zum ersten Mal der innerste Kern zu Rauch zerfiel und etwas Neues an dessen Stelle treten musste, vorausgesetzt, der Zeitpunkt sollte nicht für immer verpasst sein, wurde aus irgendeinem Grund immer mühsamer.
    Leben gingen verloren. Junge Männer, vielversprechend und strahlend, verschwanden unter Schreien und Todesqualen.
Und die Frauen des Stammes fragten sich im Stillen, ob sie nicht am Ende doch die Gesegneteren waren.
    Doch ob Drache oder Mensch, weiblich oder männlich, jedes Mitglied der Drákon hatte noch immer eine animalische Seite: die Freude an der Jagd, die Sehnsucht nach dem Himmel, die Macht, Steine und Metall durch den Erdboden hindurch Balladen, Lieder und Arien singen zu hören.
    Es gab einen Grund dafür, dass keine anderen Kreaturen in Darkfrith lebten. Es war schwer genug, gesunde Pferde in den Ställen zu halten. Selbst die Schafe mit den schwarzen Gesichtern wurden wild.
    Und so war Lia nicht erstaunt, als sie aus dem Gasthaus Königsblick trat - am herrlichen und erlesenen Ende von Óbuda, weit, weit entfernt von den Hügeln ihrer Heimat - und jedes Pferd in Windrichtung sofort zu zittern und zu scheuen begann.
    Am Fuße der hufeisenförmigen Treppenflucht des Gasthauses stand ein Vierspänner von Grauschimmeln vor einer glänzenden, neuen Kutsche und kämpfte gegen das Geschirr. Zane, der an der Tür des Gefährts wartete, sah sofort auf. Ihre Blicke trafen sich.
    Auf dem Hinweg hatte Lia alle Lasttiere gemieden. Stattdessen war sie von Edinburgh nach Amsterdam gesegelt, und das war wundervoll gewesen. Das Schiff war klein, überfüllt und sehr schnell gewesen. Jeden Tag hatte sie an der Reling gestanden und den Wind an sich reißen lassen. Ihre Wangen brannten niemals. Ihr Haar war nie zerzaust. Aber nicht einmal in ihren Tränen hatte sie solches Salz geschmeckt, und nie zuvor hatte ihre Haut so wunderbar geschmerzt. Wenn sie ihre Augen schloss und ganz still stand, konnte Lia sich vorstellen, sie würde fliegen.

    Darkfrith hatte sechzehn Generationen ihres Volkes Schutz geboten. Während der letzten fünf war es nur drei Frauen gelungen, die Wandlung zu vollziehen: Rue. Audrey. Joan.
    Lia hatte sich an die verstohlenen, sinnenden Blicke ihrer Leute gewöhnt, mit denen sie ihr Älterwerden verfolgten. Sie hatte sich auch an den Klatsch und Tratsch

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