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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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eine
braunäugige Sylphide an die Fersen geheftet hatte und sich nicht abschütteln ließ.
    Er wollte nicht darüber nachdenken. Er wollte überhaupt nicht über sie nachgrübeln, sie, mit ihrem Kleid in der Farbe von Schlüsselblumen und ihren Koffern, die sich auf seinen türmten, und ihrem Haar, das in der kühlen Herbstsonne sommergold leuchtete.
    Sie hatte ihre Leute zum Narren gehalten und war Darkfrith entkommen, was bedeutete, dass sie gewitzt war. Außerdem hatte sie die ganze Reise nach Ungarn allein bewältigt, was dafür sprach, dass sie verwegen, wenn nicht sogar leichtsinnig war. Sie hatte bewusst alle Regeln ihres Stammes gebrochen - barbarische Regeln, unanfechtbare Regeln -, woraus sich schließen ließ, dass sie verzweifelt war. Sie hatte ihn in seinem Gasthof ausfindig gemacht. Sie hatte ihn zum Ball gelockt. Sie hatte ein Kleid getragen, dass ihr eine Figur gegeben hatte, die er bei einer Frau nicht für möglich gehalten hätte: Sie hatte den Kopf gehoben und ihn angelächelt, sodass er, verflucht noch mal, bis ins Mark erschüttert war.
    Sie war gefährlich.
    Und es wäre töricht, sie nicht zu fragen.
    Er warf dem Kutscher einen Blick zu. Dieser trug einen Bart, war in bunte Stoffe gehüllt und entsprach Zanes Vorstellung von einem Zigeuner in jeder Hinsicht. Zane drehte sich auf seinem Sitz um. Er öffnete das hölzerne Paneel hinter sich, sodass er ein metallgefasstes Fenstergitter und dahinter das schwarze Innere der Kutsche sehen konnte.
    »Lia.«
    Sie kam in sein Sichtfeld, ein gedämpfter, blasser Umriss, von Schatten umgeben.

    »Wir sind von Pest aus in Richtung Osten aufgebrochen, nach - Jászberény …«
    Sein Mund verzog sich, um das fremde Wort auszusprechen, und er hörte das leise, abfällige Schnauben des Roma. Aber Amalia nickte und setzte sich wieder. Aus den Tiefen der Kutsche klang ihre Stimme sehr süß.
    »Das ist gut. Weiter so.«
    Sie kam nicht noch einmal näher. Er schloss die Öffnung wieder und drehte sich zurück, um erneut auf die Pferderücken zu starren.
    Es war nur Einbildung. Er konnte ihren Duft nach Winterrosen von da vorne aus nicht wahrnehmen.
    Aber die Tiere vor ihm bebten und warfen ihre Köpfe zurück.
     
    Die Reise nach Jászberény kostete sie beinahe den ganzen Tag. Sie erreichten die Ausläufer der Stadt, als eben das Sonnenlicht zu langen, schweren Strahlen zusammenschmolz und sich die Schatten satt und tief wie Saphire über die Gebäude und Straßen legten.
    Es war ein hässlicher Ort, der nichts von dem zarten Glanz aufwies, von dem die anderen Städte entlang der Donau geprägt waren. Stattdessen gab es Pensionen, verwinkelte Straßen und Tavernen, die Rauch aus ihren Schornsteinen ausstießen und so die Abenddämmerung wie mit Wolken überdeckten. Die Menschen blieben tatsächlich stehen und starrten dem Pferdegespann nach, während der Kutscher einen Weg um die Furchen und Schlaglöcher herum suchte, die die Straßen überzogen. Es war nicht schwer, in den besseren Teil der Stadt zu gelangen, bei dem es sich um einen einzigen weitläufigen Platz mit säulenbewehrten Geschäften
und Etablissements handelte. Auf der einen Seite wurde er flankiert vom Schlachterviertel, auf der anderen Seite von einem Park mit einem Teich und einigen novemberkahlen Bäumen.
    Zane wählte ein Hotel in der Mitte. Er konnte den Namen auf dem Schild nicht lesen, aber das kümmerte ihn nicht, denn schließlich hatte er genug Gasthäuser gesehen, um zu wissen, dass dieses hier Flöhe, vergoldeten Stuck und möglicherweise eine Verbindungstür zwischen zwei Zimmern haben würde. Das war genug.
    Er sprang hinab und machte dabei einen Satz über eine Schlammpfütze hinweg, froh darüber, seine steif gewordenen Muskeln strecken zu können. Zwei Pagen, die an der Tür gestanden hatten, eilten bereits zu ihm, aber Zane erreichte als Erster den Schlag der Kutsche. Er drückte den Griff hinunter und hielt unwillkürlich den Atem an.
    Im Innern war das Rascheln von Rock und Unterrock zu hören. Lia streckte Zane die behandschuhten Finger entgegen. Dann schob sie vorsichtig zunächst den Reifrock hinaus, danach einen zarten Fuß. Die Kapuze ihres Mantels hatte sie sich tief ins Gesicht gezogen, sodass ihre Haare verborgen waren. Kaum stand sie draußen, umwirbelte sie beide ein Luftzug; ihre Kapuze wurde zurückgerissen, und die Pferde stießen ein empörtes Wiehern aus. Zane drängte den Kutscher, das Gespann zum Hinterausgang des Hotels zu bringen, und nach einem

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