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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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seiner zu umschließen. »Das wird es, weil du mich hast.«
     
    Es schien, als ob die Frau auch als Hebamme tätig war, höchstwahrscheinlich die einzige im Umkreis von Meilen. Stolz zeigte sie ihnen einen Schuppen voll getrockneter Pflanzen und Blumen. Dieser Verschlag befand sich hinter dem Hühnerstall voller Hennen, welche aufgeregt gackernd durcheinanderliefen, als Lia sich näherte, und einem Pferch mit sorgenvoll aussehenden Mutterschafen. Letztere warfen den Kopf hin und her und blökten noch lange, nachdem Lia außer Sicht war.
    Lia kannte nicht einmal die Namen für alle jene Kränze und Wurzeln, die an Haken hingen oder in Tontöpfen ruhten,
die sich in den Regalen drängten. Der Dieb brauchte die Bezeichnungen ohnehin nicht. Mit einer Mischung aus Schmeichelei und Charme hatte er die Frau bis zum zugigen Schuppen begleitet, wo er Krüge öffnete, Blätter zwischen seinen Fingern und dem Daumen zerbröselte, schnupperte und gelegentlich vom Staub, der an seinen Fingerspitzen geblieben war, nachdenklich kostete.
    Die kleinen Mädchen verfolgten jede seiner Bewegungen mit Kichern und Flüstern. Sie hatten sich im Eingang versammelt, die Hände vor den Mund geschlagen, und versperrten das Licht. Hin und wieder, wenn Zane einen freundlichen Blick in ihre Richtung warf, wurde das Kichern lauter.
     
    An diesem Tag verließen sie das Bauernhaus mit einem Krug voller Kräuter, die er selbst zusammengestellt und den er Lia emporgereicht hatte, als diese schon in der Kutsche saß.
    »Was soll ich damit tun?«, fragte sie, noch immer beunruhigt.
    »So lange, bis wir heute Abend heißes Wasser für den Tee bekommen, fürchte ich, musst du die Blätter kauen.«
    »Den Teufel werde ich tun.« Energisch stellte sie den Krug auf dem Sitz ab.
    »Achten Sie auf Ihre Sprache, Lady Amalia.« Er verbeugte sich vor ihr. »Ich fürchte, ich habe einen schockierend schlechten Einfluss auf dich.«
    »Du hast ja keine Ahnung«, murmelte sie leise, während er die Tür zwischen ihnen schloss.
     
    Dies sollte der letzte Tag sein, an dem sie eine warme Mahlzeit bekamen. An diesem Abend stießen sie zwar wieder auf ein Bauernhaus, lange nach Sonnenuntergang … Doch
es gab nur einen einzigen kleinen Weiler wenige Stunden hinter dem vorherigen. Sie waren das Risiko eingegangen, auf eine spätere Gelegenheit zu hoffen, die aber nicht gekommen war. Stattdessen blieb ihnen schließlich nichts anderes übrig, als in etwas Unterschlupf zu suchen, das eine verlassene Schäferhütte zu sein schien.
    Der Roma entzündete ein Feuer, doch schwarze Rauchwölkchen stiegen auf und wehten durch die Kammer. Zane fluchte und suchte einen Ast, um im Schornstein zu stochern; beide Männer waren nötig, um den alten Abzug freizubekommen.
    Der Schnee reichte aus, um ihnen den größten Teil des Rußes von der Haut zu waschen, aber Lia verbrachte die restliche Nacht mit dem vergeblichen Versuch, den Hustenreiz zu unterdrücken.
    Zum Abendessen verspeisten sie Brot und einige kalte Würstchen, die sie beim letzten Haus gekauft hatten. Den Krug mit den Kräutern mochte Lia nicht anrühren. Zane schlief, wie er es immer tat, wenn sie beide auf dem Fußboden nächtigen mussten: Er schmiegte seinen Körper an sie und hielt sie mit seinen Armen fest an sich gezogen. Ihr Kopf ruhte an seiner Schulter. Es war eine Umarmung, die nichts Sinnliches hatte, zumindest nicht für ihn, wie sie glaubte. Unter dem Schaffell, das sie zudeckte, war ihr heiß, und sie fühlte sich unbehaglich und eingezwängt. Als die Träume sie schließlich überwältigten, zuckte sie im Schlaf wie ein Hundewelpe, und aus der Ferne spürte sie, wie Zanes Hand über ihren Arm streichelte, um sie zu beruhigen.
    Aber damit machte er ihre Träume nur umso schlimmer.
Vom nächsten Tag an fanden sie keinerlei Dörfer mehr. Während sie tiefer in die Wildnis vordrangen, stießen sie auch auf keine Spuren von Menschen mehr, ja auf überhaupt keine Anzeichen von Zivilisation. Keinerlei bestellte Felder, keine Mühlen und keine riesigen, von Schneestaub bedeckte Heuballen. Keine Weingärten, keine Weizengarben, kein Vieh oder Gänse oder Schafe. Nur der Pfad lag vor ihnen, eng und gewunden, der sich höher und höher ins Nichts der lilafarbenen Berge emporschraubte. Nur Wälder, still und schweigend, als ob die Vögel, Rehe und Eichhörnchen geflohen wären, weil sie wussten, dass sie unterwegs war. Hin und wieder stieg Dampf am Horizont auf, ein Anzeichen für heiße Quellen oder

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