Der träumende Diamant 2 - Erdmagie
lächeln.
»Lügnerin.«
»Taschendieb.«
»Ausreißerin.«
»Schwindler!«
»Feigling«, sagte er sehr sanft, und sie wich zurück.
»Bastard!«
»Ohne Zweifel richtig.« Er verbeugte sich knapp. »Doch lass uns anfangen. Ich würde vorziehen, meinen letzten Tag nicht damit zu verbringen, zuzusehen, wie dir deine hübsche Nase im Frost abfriert.«
Sie sah ihn finster an, spürte die kalte Luft und die steilen Wände rings um sie herum und die traurigen, leisen Lieder der Steine, die unter ihnen vergraben lagen, welche Mineralien auch immer das sein mochten.
»Ich hätte gerne das Schaffell, wenn du nichts dagegen hast«, sagte Lia steif und höflich. »Es fällt mir leichter, mich zu konzentrieren, wenn ich sitze.«
Er neigte seinen Kopf, und diese Verbeugung nun wäre einem König und seinem ganzen Hofstaat gegenüber angemessen gewesen. Er hob das Fell hoch und breitete es für sie mit geziertem Schwung auf dem Boden aus.
»Dein Wunsch ist mir Befehl, meine holde Gattin«, murmelte der Dieb.
Ihr Haar. Ihre rechte Hand. Ihr Fuß.
Ihr Schuh und ihr Wollstrumpf fielen von ihr ab, und sie ließ sie liegen, denn jedes Mal, wenn sie sie wieder anzog und sich ihr Fuß ein weiteres Mal in Rauch verwandelte, sank beides erneut zu Boden. Inzwischen schneite es heftig jenseits des Tunneleingangs, in dem die Flocken wie Perlen funkelten und tanzten. Und wann immer ihre Zehen gerade keine Rauchwölkchen waren, waren sie eisig kalt, selbst unter ihrem Rock.
»Entspann dich«, riet ihr Zane, der sich ihr gegenüber hingesetzt
und gegen die Wand gelehnt hatte. Sein Mantel war bis zum Knie zugeknöpft, seine Hände tief in den Taschen vergraben. Damals auf ihrem letzten Rastplatz hatte er seinen Hut noch gefunden und ihn nun tief ins Gesicht gezogen. »Denk nicht so viel darüber nach. Tu einfach so, als ob du im Karibischen Meer schwimmen würdest …«
»Ich kann nicht schwimmen.«
»Als ob du im Hochsommer auf einem Windhauch reiten würdest. Wie ein Schmetterling mit großen Flügeln. Alles ist mühelos.«
»Das sagst du«, murmelte sie und rieb sich ihre Nase. »Es wäre vielleicht einfacher, wenn du mich nicht so anstarren würdest.«
»Starre ich dich an? Ich bitte um Entschuldigung. Es ist nur so, dass ich diesen ganzen Vorgang so …«
»… verrückt finde?«, schlug sie mit spitzer Stimme vor. »Anstrengend?«
»… erstaunlich finde«, beendete er seinen Satz und starrte demonstrativ auf den Felsboden hinab. »Wie dich.«
Beinahe hätte sie geseufzt, aber sie wollte keine Wärme verschwenden.
»War das ein Kompliment?«
»Entschuldigung«, sagte er unterwürfig. »Das passiert manchmal. Ich werde versuchen, mich zusammenzunehmen.«
Lia spürte, wie ihre Lippen zuckten. Wieder stieg Enttäuschung in ihr auf. Es klappte einfach nicht, sie schaffte es nicht, es hatte alles keinen Sinn; aber als sie zischend ausatmete, entschlüpfte ihr eine kleine Flamme, die über seinen Mantelärmel leckte.
Er sprang auf, geschmeidig wie ein Tänzer, und schlug
das Feuer aus. In der langen Minute, die folgte, starrten sie einander verblüfft an. Sie saß auf dem Boden, und er stand vor ihr und hielt seine Finger auf das Loch in der versengten Wolle gepresst.
Zane fasste sich als Erster wieder. Er streckte seinen Arm aus, um ihn zu begutachten, und seine Stimme war gelassen. »Ich habe wirklich geglaubt, dass dieser Teil der Drachenlegende nur ausgedacht war.«
»Genau wie ich.« Sie stand auf und suchte ihren Schuh. »Ich kenne sonst keinen, der … Niemand im Stamm hat je …«
»Kannst du das noch einmal tun?«
Rasch rieb sie sich mit dem Handballen über ihre Augen und sah ihn dann über die Finger hinweg an.
Da war wieder sein Lächeln, gefährlich, schön, beißend und grausam sinnlich. »Lia.« Er ging zum Eingang des Tunnels, wo Blätter und Zweige in eine Ecke hineingeweht waren, und begann, sie zusammenzukehren. »Tu es noch einmal.«
»Ich weiß nicht, wie«, sagte sie unsicher und beäugte den Haufen. Der Wind drehte, und Schneeflocken wehten herein.
»Gut. Dann weißt du es eben nicht.« Er trat wieder zu ihr, nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste sie hart auf die Lippen.
Zuerst spürte sie es beinahe nicht. Ihr war kalt, ihre Lippen waren eisig und seine ebenso. Es fühlte sich an, als werde sie gegen eine Mauer gedrückt. Und dann spürte sie seine unrasierte Oberlippe. Doch dann … dann wurde irgendetwas zwischen ihnen weicher, seine Lippen wurden samtig, und ihr ganzer
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