Der träumende Diamant 2 - Erdmagie
spielten eine kleine Melodie, die weich und traurig durch den Raum floss. »Aber für dich würde er sich auch von mir scheiden lassen, denke ich. Er müsste dann nicht länger auf Kinder warten.« Eine weitere Tonfolge. »Ich wünschte, du wärest nicht verheiratet.«
Lia drückte ihr Kissen an sich. »Ich wünschte es für dich ebenso.«
Maricara gab es auf, im Stehen zu spielen, und setzte sich auf den Hocker hinter der Harfe. Sorgfältig breitete sie ihren Rock um sich herum aus. Sie beugte sich vor, ihre weißen Arme streckten sich, und sie setzte zu einem neuen Lied an, ihre Wange an den vergoldeten Rahmen gepresst.
»Sie werden bald ebenfalls herunterkommen«, sagte sie, und ihre Stimme war leiser, als es die Töne des Instruments waren. »Wann willst du dich auf die Suche nach dem Diamanten machen?«
»Heute Nacht noch. Ich denke … heute Nacht.«
»Es ist jetzt dunkel. Es ist kalt. Warte doch besser noch.«
»Ich fürchte, das kann ich nicht.«
»Warum denn nicht?«
Lia schwieg einen Augenblick lang und lauschte auf das vielschichtige Lied.
»Ich träume die Zukunft voraus«, sagte sie schließlich. »Das ist eine Gabe. Und in meinen Träumen wird mein Volk
vernichtet. Mein Heim wird zerstört, mein Ehemann ist mein Feind. Und alles wegen dieses elenden Diamanten.«
»Dann solltest du ihn töten«, sagte Mari ruhig. »Deshalb also bist du hergekommen, nicht wahr? Du kannst nicht zulassen, dass er ihn bekommt.«
»Das ist richtig.«
Die Finger des Mädchens zupften eine himmlische Melodie. »Soll ich es tun?«
»Nein.«
»Du liebst ihn.«
Lia versuchte nicht zu lachen, aber der Laut blieb ihr in der Kehle stecken.
»Doch, du liebst ihn«, wiederholte die Prinzessin. »Das ist nicht gut.«
Lia stand dort, mit dem Kissen in ihren verkrampften Fingern.
»Du wirst ihm nichts tun. Hast du mich verstanden? Du wirst ihn nicht anrühren.«
Maricara senkte den Kopf. »Wir werden sehen.«
»Ich schwöre dir, wenn du …«
»Wie ist es, jemanden zu lieben?« Mari hob das Kinn; erneut starrte sie Lia direkt an, geschminkt und wunderschön, und der Ausdruck in ihren Augen war ohne jeden Argwohn. »Die Diener erzählen davon, wenn sie glauben, dass ich nicht zuhöre. Ich frage mich das wirklich.«
Lia drehte sich um und warf das Kissen zurück auf die Chaiselongue . Sie stellte fest, dass sie keine Antwort auf Maris Frage hatte. Sie konnte nicht wiederholen, was sie ihre Schwestern immer hatte sagen hören, Es ist unbeschreiblich , oder Es ist die reinste Freude oder Er macht mich so glücklich . Sie hob den Kopf und schluckte das seltsame Gefühl
in ihrer Kehle hinunter, während sie vom Kamin zum Pianoforte lief, wo sie einen Finger auf das honigbraune Holz legte.
Schließlich sagte sie: »Es ist das entsetzlichste Gefühl auf der ganzen Welt.«
Und so meinte sie es auch.
»Ja«, stimmte das Mädchen zu und betrachtete Lias Gesicht. »Ich denke, das muss es sein.«
»Wenn irgendjemand ihn tötet, dann werde ich das sein.«
»Wie du wünschst.«
Das Lied endete. Maricara hob nur einen kurzen Augenblick lang die Hände von den Saiten, ehe sie die Augen schloss und dasselbe Stück noch einmal spielte.
»Vielleicht wird nichts davon tatsächlich geschehen. Es sind nur Träume.«
»Nicht meine. Sie werden wahr. Sie treten immer ein. Und gleichgültig, was genau ich träume, am Ende ist er immer derjenige, der Draumr an sich gebracht hat.«
»Wenn du ihn tötest«, sagte das Mädchen pragmatisch, »dann wird er gar nichts an sich bringen können.«
»Dann wird es wohl jemand anderes tun, nicht wahr?«
»Möglicherweise. Aber der Stein ist schon seit Jahrhunderten verloren. Er könnte auch verloren bleiben.«
»Nein.« Lia ging zurück zum Feuer. »Er wird nicht verschwunden bleiben, weil ich ihn holen werde. Und dann werde ich ihn zerstören.«
»Du glaubst, dass du die Zukunft verändern kannst?«
»Ich weiß es nicht.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber ich muss es tun. Ich muss es versuchen.«
»Unzählige Leben sind geopfert worden, um diesen Stein
zu suchen. Meine Onkel und meine Großväter. Mein älterer Bruder.«
»Ich bedauere deinen Verlust.« Lia streckte ihre Hände den Flammen entgegen, spreizte die Finger und sah zu, wie ihre Haut von der Hitze dunkelrosa wurde. »Aber es ändert nichts. Mein Volk weiß nun, dass es den Diamanten gibt. Zane weiß, dass er existiert. Sie werden niemals aufhören, ihn zu suchen. Aber ich bin diejenige, die dazu bestimmt ist, ihn zu finden.
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