Der träumende Diamant 2 - Erdmagie
neuen Champagnerglas herbeigeeilt kam. »Bitte machen Sie sich keine Sorgen deswegen.« Der Prinz streckte ihr ein Glas entgegen, an dessen Rand die Sektbläschen aufstiegen. »Schließlich gibt es doch gar keine Drachen.«
Sie wusste nicht mehr, was sie als Entschuldigung angeführt hatte. Sie ließ Zane und den Prinzen allein am Abgrund zum Himmel stehen, und als sie die Treppe von der Terrasse hinabstieg, war ihr ein Lakai auf den Fersen. Sie trat aus der kühlen Luft in die Kälte des Burginneren, und die Tür schloss sich hinter ihr.
Die beiden Hunde hatte sie vergessen. Sie hatten geknurrt, als sie an ihnen vorbeigegangen war, aber sie hatte ihren Schritt nicht verlangsamt, und ehe die Tiere mehr hatten tun können, war Lia bereits im Gebäude verschwunden.
Hier schien es dunkler als in der Nacht draußen zu sein. Zwar gab es Laternen, aber ihr Schein war so trübe, dass sie kaum sehen konnte, wohin sie ging. Dennoch musste sie
gehen - sie musste sich Bewegung verschaffen. Sie konnte keinen Augenblick länger neben Zane stehen und zusehen, wie sich die Erkenntnis auf seinem Gesicht ausbreitete.
Sie war nun froh, dass sie in ihren Träumen blind gewesen war. Sie war froh, dass sie nie zuvor diesen eisigen Hunger gesehen hatte, mit dem er sie ansah, und das wolfsgleiche, abschätzende Funkeln.
Am Fuß der Marmortreppe erwartete Mari sie. Sie stand mit einer Hand auf dem Geländer und blickte Lia mit ihren verblüffend klaren Augen an.
»Lass uns allein«, sagte sie zu dem Lakaien, der sich verbeugte und sich zurückzog.
Mari ging zu einem Durchgang und ließ Lia den Vortritt; dann schloss sie die Tür.
Es war ein Musikzimmer. Da stand die Harfe, die Lia Stunden zuvor gehört hatte, golden und schweigend in einer Ecke. Es gab ein Pianoforte auf der anderen Seite des Zimmers, Stühle und einen verzierten, elfenbeinfarbenen Wandschirm. Der Teppich war mit Rosen und Lavendel bestickt, die Wände glänzten apfelgrün. In den gläsernen Wandhaltern flackerten Kerzen. Es war ein fraulicher Ort, friedlich und schön, liebreizend und abgeschlossen, ganz anders als die Nacht dort draußen.
»Kannst du spielen?«, fragte Mari, zeigte auf die Harfe und ging zu ihr hinüber, während Lia den Kopf schüttelte.
»Ich schon. Ich habe es gelernt.« Sie zupfte einige Noten an, dann strich sie mit den Fingern über die Saiten und ließ eine Kaskade von Klängen ertönen. »Ich habe ihm nicht davon erzählt, dass wir uns getroffen haben. Er mag es nicht, wenn ich die Burg verlasse. Ich hoffe, das hast du nicht erwähnt.«
»Nein.«
»Willst du immer noch versuchen, Draumr zu finden?«
»Ja.«
»Warum?«
»Ich muss. Es ist meine Bestimmung.«
Mari sah sie von der Seite an, und graue Löckchen umrahmten ihr Gesicht. »Viele haben das Gleiche gedacht. Sie alle sind zugrunde gegangen. Ich kann dir sagen, was geschehen wird. Du wirst zu Fuß in die Minen hinabsteigen oder hinunterfliegen, und das Lied wird wie eine Kesselpauke in deinem Kopf tönen, sodass du keinen anderen Gedanken mehr fassen kannst, bis du verrückt davon wirst und wieder fortgehen musst oder aber dich hinlegst und stirbst. Er lässt nicht zu, dass du ihn holst.«
Lia saß auf einer Chaiselongue und zog sich ein Kissen auf den Schoß.
»Und selbst wenn du ihn gefunden hast, würde Imre nie zulassen, dass du ihn behältst«, fuhr das Mädchen fort. »Er ist eifersüchtig auf uns. Er würde ihn dir stehlen, sobald er davon erfahren würde.«
»Er ist eifersüchtig auf uns?«, wiederholte Lia vorsichtig. »Warum?«
Maricara ließ eine neuerliche Tonfolge erklingen. »Er ist machtlos. Hast du das nicht verstanden? Er ist der letzte der reinblütigen Drákon - er ist derjenige, von dem die Geschichte handelt. Aber er wurde ohne Gaben geboren. Deshalb holte er mich aus meinem Dorf, obwohl ich nur eine Leibeigene war. Deshalb hat er euch in seinem Haus willkommen geheißen. Er kann uns sehen, er kann uns berühren. Aber er kann nicht sein wie wir.«
»Er sagte, es sei ein Spiel. Er sagte, es sei eine Legende.«
»Ja«, sagte Mari tonlos. »Er spielt ja auch mit euch und genießt es. Aber er weiß, was du bist. Er wusste es vom ersten Augenblick an, da er dich gesehen hat, ebenso wie er sich bei mir sicher war. Ich bin die einzige weibliche Drákon , die die Wandlung vollziehen kann - jedenfalls war das so, ehe du kamst. Bist du wirklich mit dem Andere n vermählt?«
»Ja. Und bist du wirklich mit dem Prinzen verheiratet?«
»Ja.« Ihre Finger
Weitere Kostenlose Bücher