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Der träumende Diamant 2 - Erdmagie

Titel: Der träumende Diamant 2 - Erdmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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herausbringen; sie wäre voll und ganz auf sich gestellt. Angenommen, sie könnte überhaupt den richtigen Eingang zum richtigen Tunnel finden, dann hätte sie kein Licht, keine Kleidung und keine Führung außer Draumrs Lockungen. Wahrscheinlich wäre sie erfroren, ehe sie ihn entdecken würde. Alles, was sie bislang erreicht hatte, würde nichts mehr zählen. Der Diamant würde weiterhin existieren. Die Bedrohung für ihr Volk würde bleiben. Nur sie wäre verschwunden.
    Sie legte eine Hand auf die Fensterscheibe vor ihr und presste die Handfläche aufs Glas. Es war bitterkalt und zog die Hitze aus ihrem Körper, sodass das Fenster rings um die gespreizten Finger beschlug. Sie ließ ihre Hand dort, solange sie konnte, und dachte: So wird es im Inneren der Erde sein.
    Als sie sich wieder umdrehte, stand Zane neben ihrem Bett und beobachtete sie durch halb geschlossene Lider.
    Dies war es, was Liebe wirklich für Amalia Langford bedeutete: Es bedeutete, für alle Tage und Nächte des restlichen Lebens ein Geheimnis in deiner Seele zu tragen, das so schwer und entsetzlich ist, dass es dich verändert, dich kleiner und ängstlicher macht als jeden, den du kennst; ein Geheimnis, so verheerend, dass du niemandem davon erzählen kannst, nicht deiner Familie, nicht deinem Tagebuch und auch nicht deiner engsten Freundin.
    Es bedeutete zu wissen, dass der Mann, der dein Herz erobert hat, auch deine Zukunft bestimmen wird, unbarmherzig und vollständig. Es bedeutete, sich immer zu fragen, ob er in Wahrheit Freund oder Feind ist. Solltest du dein Geheimnis
jemals jemandem von wirklicher Macht enthüllen - deinem Vater, deiner Mutter, den Ratsmitgliedern deines Volkes - wäre das Beste und zugleich auch das Schlimmste, worauf du hoffen könntest, dass sie dir überhaupt Glauben schenkten.
    Und dann würde der Mann, den du liebst, hingerichtet.
    Keine Verhandlung, kein Gericht, keine Geschworenen. Er würde einfach … getötet. Und er würde niemals erfahren, warum.
    Nur deinetwegen.
     
    »Müde?«, fragte er in diesem sanften Ton, der nichts verriet.
    »Nein.« Sie versteckte ihre Hände in den Falten ihres Rockes. »Wo warst du?«
    »Erkundigungen einziehen.«
    »So spät noch?«
    »Die Dunkelheit ist äußerst hilfreich, wenn man verschlossene Orte aufsuchen will. Das ist es, was ich tue, Amalia.« Seine Wimpern senkten sich, als er ihren Gesichtsausdruck sah. »Deshalb stehe ich heute Nacht hier und führe diese Unterhaltung mit dir. Wenn es Räume gibt, in die ich nicht sofort sehen kann, dann schleiche ich herum. Jede Nacht.«
    »Das hast du in der Villa nicht getan.«
    »Doch, aber du hast währenddessen geschlafen. Was glaubst du, warum Madame Hunyadi so begierig darauf war, uns am nächsten Morgen loszuwerden?«
    Entsetzt fragte Lia: »Hast du sie bestohlen?«
    »Nein, ich habe ihr etwas verweigert.« Er warf ihr einen Blick zu, dann ging er zum Bettpfosten und lehnte sich mit
einer Schulter dagegen. »Es war eine Nacht nach meinem Geschmack. Sie fand mich in der ausgesprochen langweiligen Bibliothek ihres Ehemanns, ein Buch mit deutscher Lyrik, glaube ich, in der Hand. Ich hatte das Gefühl, dass sie vor der Tür auf und ab gelaufen war und auf jeden beliebigen Burschen gewartet hatte, der vorbeikam. Doch es zeigte sich, dass meine Zuneigung … anderweitig vergeben war.«
    »Aber … Du hast mir nie davon erzählt. Du hast mich nie aufgeweckt.«
    Er sah ihr direkt in die Augen. »Ich vertraue niemandem, Lia. Ich vertrauen niemals jemandem. So habe ich all die Jahre überlebt.«
    Er warf ihr einen trägen Blick zu. »Noch etwas, das wir gemeinsam haben, schätze ich.«
    Seine Mundwinkel hoben sich. Alles, was sie ihm antworten wollte, alles, was sie ihm gestehen wollte, blieb ihr in der Kehle stecken. Sie konnte den Mund nicht öffnen, um auch nur ein einziges Wort auszusprechen.
    »Ich bin froh, dass du wach bist.« Zane stieß sich vom Pfosten ab und kam zu ihr. Er roch nach Nacht und Fackelrauch, und er war schöner, als sie ihn je gesehen hatte, anmutig mit seinen hellen Haaren und dem Gesicht, das aus klaren Flächen und Linien bestand, die im Schein des Feuers glühten. Seine Stiefel machten kein Geräusch auf dem Boden. »Ich bin auch nicht in der Stimmung zu schlafen.« Er hob eine Hand und streichelte ihr mit den Fingerknöcheln über die Wange. Seine Augen verfolgten die Bewegung; es war eine flüchtige Berührung, die von den Lippen über ihren Kiefer bis zur Kehle führte, bis sich seine Finger auf ihrem

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