Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
habe
über den Landkarten gebrütet und eine recht gute Vorstellung davon, wo sich diese Burg tatsächlich befinden mag. Es gibt nur eine ganz bestimmte Anzahl von Straßen, die …«
Kimbers Geduld war erschöpft. »Sei bitte kein Narr. Mutter und Vater sind gegangen - der Marquis ist samt seiner Frau ohne Nachricht verschwunden, ihre jüngste Tochter vermutlich mit einem Menschen verheiratet und unauffindbar, außerdem werden drei Stammesmitglieder vermisst … Selbst wenn ich dich gehen lassen wollte, würde der Rat dies niemals zulassen. Zu viele Mitglieder unserer Familie sind bereits verschwunden. Tatsächlich haben wir sechs Mitglieder des Stammes verloren wegen unserer charmanten kleinen Prinzessin. Ich mag mir nicht vorstellen, welche Kopfschmerzen es einem bereiten könnte, den Rat davon zu überzeugen, dass ausgerechnet du derjenige wärst, der auf wundersame Weise zurückkehrt.«
Stille breitete sich im Raum aus. Das Trommeln des Regens wurde stärker und dann wieder leiser. Irgendwo tief im Labyrinth des Herrenhauses begann jemand zu husten.
»Tut mir leid.« Kimber schloss die Augen und rieb sich mit steifen Fingern die Stirn. »Ich glaube, dass ich vielleicht vor Hunger schon ganz irre bin.«
Sein Bruder antwortete in bewusst heiterem Ton: »Es wäre wirklich erfreulich, etwas zu verspeisen, das größer ist als mein Daumen.«
Kimber ließ die Hand sinken. »Lass es uns in der Küche versuchen. Ich würde inzwischen auch gekochtes Leder kauen, um den Zuckergeschmack aus meinem Mund zu vertreiben.«
Er wartete mit dem Fliegen bis zum Einbruch der Nacht. Es fiel ihm schwer, denn das Bedürfnis, die Haut abzuwerfen,
hatte sich zu einem ständigen Jucken entwickelt, das im Lauf des Tages stärker und immer stärker wurde. Die Drákon mit der Gabe vermochten sich selbstverständlich jederzeit zu verwandeln, aber sie waren angehalten, auf die Dunkelheit zu warten. Die Nacht war ihre liebste Domäne, voller Geheimnisse und Schatten, die das menschliche Auge täuschten.
Bei Tag wirkte Darkfrith trügerisch unauffällig. In der Dunkelheit schimmerten seine Himmel vor Schuppen.
Die heutige Nacht war besonders gut geeignet, denn die Wolken hingen immer noch tief und schwer wie Knäuel aus nassem Vlies und waren somit leicht zu durchdringen. Es würde so sein, als schösse man einen Pfeil durch ein Tuch.
Von dem Balkon seiner unbeleuchteten Zimmer aus beobachtete Kimber das Firmament. Er sah zu, wie sich Männer seines Stammes einer nach dem anderen auflösten in plötzlichen Rauch, der von Häusern und Gehöften aufstieg bis zu der sich auftürmenden Wolkendecke, sich mit ihr vermischte und dann verschwand. Er spürte, dass sie sich über dem Dunst wieder verwandelten und zu mehr als Rauch wurden. Kimber hob den Kopf und konnte hören, wie dort droben die Luft selbst von Flügeln und Schwänzen in Ströme geschnitten wurde.
Sein Blut begann harmonisch zu pulsieren. Das Herz in seiner Brust hämmerte, ein mit Gold beschlagenes Tier an der Schwelle des Freibrechens.
Er zog seine Kleider aus. Dann trat er vor, schloss ehrerbietig die Augen, weitete seine Lungen, bis sie schmerzten. Der Regen bedeckte ihn wie ein Parfüm, reinigte ihn und sandte Erwartung in perlendem Willkommen über seinen nackten Körper.
Kimber öffnete die Augen und wurde endlich zu Rauch.
Das erste Mal, als er die Wandlung vollzogen hatte, war Schmerz wie der geschmolzene Kern der Sonne durch sein ganzes Wesen geschossen. Die erste Wandlung war immer die gefährlichste - viele junge Drákon mussten im ersten Augenblick der Auflösung ihr Leben lassen -, aber die folgende Freude des Freibrechens aus der menschlichen Gestalt glich nichts, was er je gekannt hatte. Und nach all den Jahren gab es immer noch nichts, was sich damit vergleichen ließ. Weder Essen noch Trinken, nicht Macht und nicht Geld, auch nicht Frauen. Nichts.
Mühelos ließ er den Regen durch sich hindurchströmen. Er zwang sich zum Aufsteigen als weiterer Nebel aus Grau, als weiterer dahintreibender Ring, bis er die Wolken berührte, ihr kaltes, saphirfarbenes Gewicht spürte, sich hineindrängte und sich mit dem Nebel vermischte.
Er wartete nicht weiter ab mit der Wandlung. Kimber wurde an Ort und Stelle ein Drache, immer noch in Regenwolken gehüllt, um dann einen gedrehten Salto zu schlagen, der die Nebel aufwirbelte. Er reckte den Hals und die Flügel und schoss höher hinauf, gelangte auf einen Schlag ins Freie, ein Pfeil aus Scharlachrot und Blau mit
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