Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
seine vernünftige und geschützte Existenz mit einer durchdringenden Empfindung erschütterte: Schweiß.
Es war heiß in Darkfrith, der heißeste Juni, an den man sich erinnern konnte. Der Sommer kam früh in einer Welle von Hitze, die über dem Land schimmerte, die zarten Triebe der Anemonen und des Wiesengrases austrocknete und den Himmel zu tiefem, feuchtem Kobalt verbrannte. Die frischen grünen Schösslinge von Weizen und Roggen verlangsamten ihr schnelles Wachstum, die vielen Flüsse, die den Fier-Strom speisten, wurden träge und flach. Nur die Wälder blieben unberührt, dicht und duftend mit Wildblumen und Farn, Ulme, Eiche und Birke.
Die älteren Bewohner des Dorfes versammelten sich zum Tratsch über Whist und lauwarmer Limonade, trugen Musselin und Spitze in schattigen Salons, deren Fensterflügel weit offen standen.
Die Jüngeren zogen sich in die Wälder zurück.
Nachts stiegen diejenigen, die noch dazu in der Lage waren, in die Lüfte und fanden Erleichterung in den dünneren, oberen Schichten der Atmosphäre. Dort gab es keine Wolken, hinter denen man sich verstecken konnte. Selbst der Mond schien sich zurückzuziehen, sein Licht leuchtete bleich und bläulich. In Erwartung der neuen Stechmücken, die über die Teiche flitzen würden, gedieh nichts.
An diesem Nachmittag war ein Brief von dem Marquis und der Marquise angekommen. Er trug einen Poststempel
aus Flandern, war an Kimber adressiert und enthielt nur zwei Zeilen:
Andere kommen. Bewache die Grafschaft .
Auf der Daunendecke seines Ebenholzbettes ausgestreckt, grübelte Kimber über diese Worte nach, während er verfolgte, wie das Mondlicht über die Decke und dann langsam über die Wände kroch. Er hatte die Balkontüren zum zwei Stockwerke unter ihm liegenden Garten mit den Blumen und Kieswegen offen gelassen, aber der einzige Geruch, der hereindrang, war der nach welken Blüten und gebackenem Stein. Kein Lüftchen regte sich. Es war zu heiß für Decken, zu heiß für Rätsel. Er hatte sich bereits bis zu den Grenzen der Grafschaft begeben und wieder zurück, um seine Wächter in ständigem Flug die Grenzen entlangsausen zu lassen, aber er hatte immer noch keine Vorstellung hinsichtlich dessen, was seine Eltern eigentlich gemeint hatten.
Andere kommen? Hätte es ihnen denn zu viel verdammte Arbeit gemacht, sich genauer auszudrücken? Es passte gar nicht zu ihnen, so geheimnisvoll zu tun - zumindest nicht zu seinem Vater.
Kimber rollte sich auf die Seite und stieß gereizt die Kissen von sich. Abgesehen von den quer über das Ende des Blattes gekritzelten Initialen gab es keinen Hinweis darauf, wer das Schreiben geschickt hatte.
Er schlief ein, als sich das Mondlicht zu einem Spalt entlang den Wildseidenvorhängen verkürzte, und träumte von Feuer und kochendem Wasser und der Sonne, die von der See widergespiegelt wurde.
Und als er ein paar Stunden später erwachte, hatte sich etwas verändert.
Die Luft fühlte sich anders an, irgendwie aufgeladen mit einer Schwere, die sich durch seine Knochen fraß und das
Haar auf seinen Armen und Beinen knistern ließ. Für einen Augenblick lag er mit den Laken in Hüfthöhe ganz still da, atmete langsam, roch und schmeckte und maß das subtile, rauchige Stechen wie von Schießpulver, das an der Rückseite seines Gaumens zu kleben schien.
Die Türen standen noch immer offen, die Nacht verging immer noch in der Hitze, aber das war es nicht.
Jemand hielt sich hier im Herrenhaus auf. Jemand Neues, jemand mit Macht. Jemand, den er nie zuvor gespürt hatte.
Ein Drákon.
Er erhob sich, schlug die Laken zurück, und seine Zehen pressten sich auf den warmen Marmorboden. Er würde keine Wandlung vollziehen - viel zu auffällig -, aber er konnte jagen, ohne die Gestalt zu verändern. In Stille, Hitze, Sturm oder vollkommener Blindheit konnte er jagen. Das wusste Kimber.
In Unterhosen und barfüßig, das Haar als warme Last im Nacken, schlich er zur Tür seines Schlafgemachs und drückte sie ganz auf. Ein Hauch der warmen Luft strich über seinen ganzen Körper hinweg und kühlte den feuchten Film auf seiner Haut. Das Tier in ihm reckte sich mit Sehnen und Blut, bereit, an die Oberfläche zu kommen.
Die Treppe hinunter , flüsterte es.
Chasen Manor war mit einem Sinn für Grazie erbaut und mit allem Luxus modernisiert worden, eine weitere schlaue List hinsichtlich der Art, wie sich seine Familie der Welt präsentierte. Die Haupthalle des oberen Stockwerks gähnte weit und offen, ausgelegt mit im
Weitere Kostenlose Bücher