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Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie

Titel: Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shana Abé
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herüberstarrten. Über den dunkelgrünen, blauen und rosafarbenen Himmel über ihr trieben leuchtende, schlangenartige Drachen. Schweigend schossen sie vor den stecknadelkopfkleinen Sternen dahin, so dass diese blinkten.
    Sie fühlte sich nicht müde. Jedenfalls nicht müde genug. Sie hatte so viel wie nur möglich gegessen, aber den Wein abgelehnt. Dann hatte sie darum gebeten, allein gelassen zu werden, um den Mondaufgang zu beobachten.
    Grillen erwachten. Maricara hörte sie in weiter Ferne, kleine zirpende Inseln tief im Wald. Der Mond erschien als Hof von weißem Licht am dunklen, unregelmäßigen Horizont.
    Über ihrem Kopf zogen die Drachen ihre schier unendlichen Kreise.
    Der Ort, an dem sie Kimbers Wünschen zufolge schlafen sollte, wurde der Tote Raum genannt. Sie hatte ein paar Diener belauscht, die sich den Namen zuflüsterten, und zwar mit gedämpften, überraschten Stimmen. Der Graf hatte ihr nur mitgeteilt, es handele sich um einen Raum innerhalb des Hauses, der eigens errichtet worden sei, um Drachen -
voll entwickelte Drachen - zu beherbergen, Rauch zurückzuhalten und jeden, der sich darin befand, unter sicherer Kontrolle zu halten.
    Der Tote Raum . Keine Spitzfindigkeiten, kein Geheimnis, trotz all ihrer vorgeblich menschlichen Sitten. Sie konnte sich verdammt gut ausmalen, wozu das Zimmer tatsächlich diente.
    Maricara starrte auf den aufgehenden Mond. Er sah aus wie ein Tropfen süßer Schlagsahne, rund und fett mit beinahe verschleierten Rändern, viel weicher als daheim. Alles in England kam ihr weicher vor, die Luft, der Geschmack der Wildblumen und Wälder, die tiefindigoblaue Nacht. Sie war ebenfalls weicher geworden, erkannte Maricara. Hätte sie nur einen Hauch von Vernunft oder Selbsterhaltungstrieb besessen, würde sie die Wandlung in Rauch vollziehen und das Wäldchen verlassen, nach oben und davonfliegen, weit weg von jedem Raum, der dazu bestimmt war, ihre Art gefangen zu halten. Kimber hatte behauptet, sie verfüge über außerordentliche Geschicklichkeit beim Flug, aber sie wusste nicht, inwieweit das der Wahrheit entsprach. Ja, sie war seit ihrer Kindheit geflogen, zu beinahe jedem Ort, zu dem sie wollte, und noch dazu zu einem ihr passenden Zeitpunkt. Sicherlich konnte sie all diese vorsichtigen, neugierigen Drákon über ihr abhängen. Immerhin hatte sie hier alles in ihrer Macht Stehende getan, und nur deswegen war sie nach Darkfrith gekommen. Sie wussten jetzt, dass man sie jagte, und sie wussten, um wen es sich handelte. Eigentlich hatte sie keinen Grund mehr zum Bleiben.
    Sie konnte überall hin. Tatsächlich konnte sie sich die ganze Welt ansehen, ohne sich jemals wieder irgendwo irgendwem zu verpflichten. Sie war endlich vollkommen frei.
    Außer von ihm.

    Außer von diesem Kuss und den Schmetterlingen und dem Streicheln seiner Finger über ihren bloßen Arm.
    Maricara schloss die Augen. Sie atmete lange und gleichmäßig aus und begann ihren gleitenden Abstieg in die Drachen-Empfindung.
    Die Zeit verlangsamte sich. Die Luft drückte gegen ihre angefeuchtete Haut. Die verblassenden Farben des Sonnenuntergangs flammten wieder auf, aber dieses Mal als Vibrationen, als summende Echos von Licht, das sich durch ihre Sinne ausbreitete, burgunderrot, safrangelb und lapislazuliblau. Das Zirpen der Grillen verwandelte sich in ohrenbetäubendes Löwengebrüll. Tief in der Erde unter ihren Füßen begrabene Mineralien sangen und stöhnten und erflehten ihre Berührung. Die Wege der hoch droben dahinschießenden Drákon schimmerten wie konzentrische Ringe hinter ihren Augenlidern, jeder einzelne ein brillantes Glied einer Kette, sich endlos wiederholend.
    Kimber hielt sich allein im Inneren des Hauses auf. Im Musikzimmer, wo sie sich zum ersten Mal begegnet waren.
    Sie konzentrierte sich darauf, auf Kimber im Musikzimmer, und ließ alle anderen Geräusche und Rhythmen und flüsternden Lieder in die Bedeutungslosigkeit absinken. Das Mondlicht verschwand, die Sterne wurden verschluckt, bis es nur noch ihn gab, sein ruhiges Atmen, das Rascheln seiner Kleider und das Geräusch seiner Schuhe auf dem Wollteppich, als er sich in Bewegung setzte.
    Sie hörte einen einzigen Ton von der Lyra. Er ertönte noch einmal, jetzt gedämpft, als hätten seine Finger den Ton gefunden, obwohl er nicht vorgehabt hatte, die Saite noch einmal anzuschlagen.
    Eine weitere Note. Ein D, einsam und seltsam, derselbe wiederkehrende Ton.

    Maricara öffnete die Augen. Sie erhob sich von der Bank und ging nach

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