Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
hatte, genau da, wo er sie haben musste, stellte Kimber fest, dass es ihm seltsam widerstrebte, sie zu verlassen. Er wollte sie am Morgen freilassen, ja, er wollte das unbedingt. Aber der Gedanke, dass sie hier unten in der Falle saß, in diesem Bett, allein, wo er sie doch bereits
des Nachts gehalten und ihren Körper mit seinem gewärmt und ihre Schulter geküsst hatte, während sie schlief …
»Gute Nacht«, sagte Maricara und schritt über die Schwelle in den Toten Raum.
Er rührte sich nicht. Der Saum ihres Gewandes bildete einen weiten, blauen Kreis auf den Steinen. Sie hielt am Fußende des Bettes inne, drehte das Gesicht in seine Richtung und senkte den Kopf ein wenig. Sie sprach nicht wieder, sondern hob nur die Hand, um ihr Mieder aufzuschnüren, wobei sie Daumen und einen Finger benutzte, um langsam die Schleifen aufzuziehen.
Kimber schloss die Tür. Er wuchtete den Eisenriegel in seine Halterungen, dann drehte er den Eisenschlüssel in dem nur von dieser Seite offenen Schloss.
»Gute Nacht«, murmelte er.
Es war dumm von ihnen, all diese hübschen Dinge zu ihr hereinzustellen. Es war dumm, den Versuch zu unternehmen, eine Gefängniszelle anders als das aussehen zu lassen, was sie tatsächlich war.
Sie saß auf dem Fußende des Bettes und beäugte das üppige Schnitzwerk des Stuhls.
Es würde in Splitter zerbrechen.
Der Kerzenleuchter - platt gedrückt. Auf die Wände geschmiertes Wachs.
Die Gobelins in Fetzen. Das Schreibpult in Stücke gerissen.
Nur der Safe sah so aus, als könne er standhalten. Er war hässlich, der größte, stabilste Metallblock, den sie hatte finden können. Vielleicht überlebte er ja die Nacht.
Ihr Rücken schmerzte, ebenso ihre Füße. Das Kerzenlicht verbrannte ihr die Augen.
Sie ging zu den Flammen hinüber und löschte alle bis auf eine. Dann verwandelte sie sich in Rauch, zu müde, um sich noch mit dem Kleid, dem Korsett und all den Schnüren abzugeben, und ließ alles in einem Haufen dort liegen, wo es hinfiel, bevor sie wieder Menschengestalt annahm. Der Koffer enthielt ihr Nachtgewand. Es glitt wie eine weiße Wolke über ihren Körper.
Barfuß und ohne nachzudenken drückte sie die letzte Kerze aus und bemerkte auf der Stelle, dass die Engländer doch nicht so dumm gewesen waren. Ohne die Kerzen herrschte im Toten Raum vollkommene Schwärze.
Sie konnte schlafwandeln, sie mochte in Raserei verfallen. Aber sie würde nicht in der Lage sein, sich in Rauch zu verwandeln.
Maricara begann leise zu lachen. Sie spürte eine schmerzhafte Blase in ihrer Brust, die sich irgendwie in ein ersticktes Schluchzen verwandelte. Sie unterdrückte es, indem sie sich die Hände aufs Gesicht presste.
Schließlich ertastete sie sich mit ausgestreckten Armen ihren Weg zum Bett. Es war nicht so weich, wie es zunächst ausgesehen hatte; die Betttücher bestanden aus Baumwolle anstelle von Satin, und den Kissen entströmte ein Geruch nach vor langer Zeit eingegangenem Geflügel.
All das machte nichts. Sie schloss die Augen und ließ die gesegnete Dunkelheit in ihre Haut sinken.
Sie schlief, ohne sich zu bewegen. Er konnte ihre Reglosigkeit spüren, die feierliche, um sie gewickelte Nacht, ihre vollkommene Ruhe. Der Tote Raum befand sich drei Stockwerke unter ihm und einen halben Flügel entfernt, abgetrennt von allen anderen benutzten Bereichen von Chasen Manor. Er war nahe dem Herzen des Hauses errichtet worden, aber
tief in die Erde versenkt; der nächstgelegene, allgemein zugängliche Ort war der Weinkeller. Der zu ihm führende Korridor führte auch zu dem hinteren Tor des Herrenhauses, zu einem gewissen Pfad, der sich durch die Wälder schlängelte. Wenn man diesem Pfad ungefähr eine Stunde lang folgte, endete er an einem Knochenfeld mit versengten, verscharrten Gebeinen, den letzten Überresten der Drákon-Gesetzlosen, die man weit entfernt vom Stamm verstreut hatte.
Die Prinzessin schlief in einer Zelle randvoll mit Geistern, und sie war mit einem Frieden in ihre Träume gesunken, den er nicht verstand. Er stellte sich Maricara in dem Bett vor, das aufzubauen er geholfen hatte, zwischen von seiner eigenen Hand geglätteten Laken. Rhys rutschte unter seiner Bettdecke hin und her, zu erhitzt und sich dessen, was um ihn herum vorging, viel zu bewusst.
Die Daunenmatratze drohte ihn zu ersticken. Die endlose Stille trieb ihn in den Wahnsinn.
Er starrte die Decke seines Zimmers an und erhoffte für sich dieselbe Bewusstlosigkeit, die Maricara und die Gesetzlosen
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