Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
Träume. Eigentlich handelte es sich nicht um richtige Träume, eher um Farben und Wahrnehmungen und wandernde Gedanken. Sie döste
in einem Nebelschleier, ohne sich ganz in die Tiefen vollkommener Stille sinken zu lassen, und kämpfte darum, an dieser Schwelle zum Aufwachen zu bleiben mit dem Geruch nach Schwefel und Sturm und der Luft; ihrer Wange auf seiner Brust; seinem Atem, der durch ihr Haar strich.
Es war seltsam. Und aufregend.
Schon lange her, dass sie mit einem Mann zusammen gewesen war. Sie hatte das vergessen, diese Intimität an einem regnerischen Tag, die sich umschlingenden Beine, das Gewicht einer Männerhand auf ihrer Taille. Aber dann, in dem sich träge bewegenden Dunst ihrer Gedanken, erschien es Maricara so, dass sie das nicht vergessen haben konnte, was sie nie gekannt hatte.
Sie verspürte keine Ängstlichkeit, wie sie so neben ihm lag. Sie empfand, dass seine Hitze und seine Umarmung und sein an sie gepresster Körper wie für sie geplant waren - seit Jahren, seit ihrem ganzen Leben. Und sie fühlte sich, als ob sie für immer so schlafen könnte.
Und das vernichtete selbstverständlich ihre letzte Hoffung auf richtigen Schlaf.
Die Dämmerung war noch nicht angebrochen, aber sie hatte in der Nacht schon immer gut sehen können. In dem tiefen, ruhigen Licht, das durch die Lamellen der Fensterläden in das Zimmer fiel, musterte Maricara Kimber Langford neugierig.
Es kam ihr merkwürdig vor, einen Mann in ihrer Gegenwart so entspannt zu sehen. Niemand entspannte sich in ihrer Anwesenheit, nicht einmal Sandu. Gelegentlich schritt sie in der Burg an einem der Spiegel vorbei und erhaschte einen Blick auf sich selbst mit silbrigem Haar, silbrigen Augen, Gewändern in tiefen Farben und einer Haut, die heller schimmerte als der Mond. Hinter ihrem Menschengesicht
versteckte sich ein geisterhaft gefährliches Wintertier mit durchdringendem Blick. Wenn sie lächelte, verzogen sich ihre Lippen kalt und schön, ganz gleich, wie sehr sie auch versuchen mochte, sie zu wärmen. Wenn sie die Hände hob, glitzerten sie vor Ringen und der Gewandtheit ihrer Bewegungen, und beides konnte sie nicht vereiteln.
Vor ihrer Heirat war Maricara ein unbekümmertes, schmuddeliges Kind gewesen. Ihre Röcke waren ein schlammiges Durcheinander, denn es machte ihr wie allen Kindern Spaß, durch die kleinen Dörfer und Wiesen zu tollen.
Kein Wunder, dass ihr Volk ihr gegenüber auf der Hut blieb. Die erwachsene Frau, die ihr mit cremeweißen Schultern und gezupften Augenbrauen aus den Spiegeln entgegenstarrte, schaute in keiner Hinsicht aus wie Maricara. Das Wesen dort schimmerte klaräugig und so hart wie Diamant und sah ganz so aus, als sei es in der Lage, Menschen wie auch Vieh zu verschlingen. Sie fürchtete sich bisweilen vor sich selbst.
Ach, aber dieser Mann … dieser mächtige, schöne Mann fürchtete sich nicht vor ihr. Er war Tier und Graf, was in diesem Land so etwas wie ein Fürst zu sein schien, und er empfand keine Angst. Und er war zärtlich, war stark, und er war ein Drákon.
Sie hob die Hand zu den Lippen und betrachtete seinen Mund. Sie drückte einen Kuss auf ihre Finger und erinnerte sich daran, wie es gewesen war, ihn zu küssen. Sie folgte den Konturen seiner Wimpern und erinnerte sich an die Intensität seines Blicks, das Letzte, was sie gesehen hatte, bevor er ihr das Tuch um den Kopf gebunden hatte. Die flammenden, hellgrünen kühlen Tiefen und einen Hunger, der sie bis ins Mark beruhigt hatte.
Sie hatte zugelassen, dass er ihr die Augenbinde anlegte.
Sie hatte ihm vertraut, weit über den Toten Raum, ihren Körper und ihr Sehvermögen hinaus. Sie hatte ihm vertraut, und er hatte sich dessen würdig erwiesen.
Das war keine Liebe. Es war neu und unbekannt, aber da sie schon früher Liebe gesehen hatte, musste es etwas Anderes sein. Es war Lust, gewiss, und das unvermeidliche Aufeinanderprallen ihrer Drachennaturen. Es war Vergnügen und verblüffende Befriedigung; jedes Mal, wenn er sie berührte, egal an welcher Stelle ihres Körpers, spürte sie ein körperliches, heißes Entzücken. So greifbar, als tauche sie die Finger in den Goldstaub, der in den Flüssen der Berge lebte, auf dass sein Schimmer ihre Haut überzöge.
Liebe war kein Schimmern. Liebe bedeutete Kampf und Qual, Kriegslisten und lange Nächte, in denen man ins Kissen weinte. Jede Geschichte der Drákon , in der es um Liebe ging, endete in vollkommenen Katastrophen, selbst Maricara wusste das.
Ihre Eltern hatten nur
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