Der träumende Diamant 3 - Drachenmagie
der, dass sie mit erhobenen Armen und über dem
Haar gekreuzten Händen davorstand. Langsam rieb sie sich mit einem Fuß über den Unterschenkel des anderen Beins, wobei sie die Zehen einzog.
Dann verließ er sie, solange er das noch konnte. Er würde unter Amalias Gewändern etwas Passendes finden, denn ihre Gemächer lagen näher als der Tote Raum. Dann würde er so schnell wie möglich zu Maricara zurückkehren. Es war noch nicht ganz Mittag. Von überallher hallten Stimmen durchs Haus, aber leise und gedämpft. Keine davon klang drängend. Kimbers Tür verfügte über ein gutes Schloss.
Endlich fand er ein Kleid seiner Schwester in ihrem dunklen, staublosen Zimmer. Es schimmerte stahlblau und schaumig weiß und sah wie etwas aus, das er sie einige Male beim Tee hatte tragen sehen, aber das spielte kaum eine Rolle. Es würde Maricara passen, und zwar ohne Zweifel verdammt viel besser als das graue Ding, das sie letzte Nacht getragen hatte.
Als er das Zimmer verließ und die Tür vorsichtig hinter sich schloss, bemerkte Kimber, dass die Stimmen, die er zuvor gehört hatte, jetzt deutlicher klangen. Er hörte mehr als den üblichen Hintergrund aus Fragen und Anweisungen der Diener, ein leichtes Anschwellen der Lautstärke, die zu ignorieren ihm sonst mühelos gelang. Es waren die Stimmen von Männern, von etwa zwölfen. Der Rat hatte sich versammelt.
Er fand die Ratsmitglieder in ihrem prächtigen Raum, kurz bevor sich alle hinsetzten. Sie standen in Grüppchen beieinander, großartige alte Drachen mit in die Hüften gestemmten Händen. Einige hatten sich Gläser von der Anrichte geholt. Jeder von ihnen war stämmig und wirkte finster, hatten sich mit Ölen und Puder parfümiert. Ihre Stimmen hatten einen Ton, der bis zu Kimber drang, der immer
noch vor der Tür stand: erhitzt, streitsüchtig. Im hellen Licht der Welt hinter den Fenstern standen sie starr und murrend da, alte Männer, die vor Perlen und Gold glänzten, während die Sonne Regenbögen auf ihren kristallenen Gläsern hervorrief. Das reiche, fruchtige Aroma von Portwein verteilte sich wirbelartig im ganzen Raum.
Die große Standuhr schlug die Mittagstunde. All die anderen Uhren stimmten mit ein, all die Melodien, all die tickenden Sekunden vereinten sich zu einem wilden Babel von Glockenschlägen.
Für einen einzigen wilden, das Herz zum Aussetzen bringenden Augenblick wünschte sich Kimber, sich einfach zurückziehen zu können. Sich erst einen Schritt davonzustehlen, dann den nächsten. In das Labyrinth des Hauses zu verschwinden, die Prinzessin an der Hand zu nehmen und sich davonzumachen.
So wie seine Eltern das getan hatten.
Er stand wie erstarrt da, war hin und her gerissen, eine Hälfte auf der einen, die andere auf der anderen Seite der Tür, aber dann blickte Rufus Booke zu ihm herüber, und sein grobes Gesicht leuchtete auf. Der Augenblick war vergangen.
Der letzte Uhrenschlag verklang, und Kimber schritt vorwärts in ihre Mitte.
Eine Honigbiene hatte sich in den seidenen Falten der Vorhänge am Fenster verfangen. Maricara öffnete das Fenster, indem sie mit beiden Händen fest dagegendrückte, dann hob sie mit Daumen und Zeigefinger die Vorhangkante hoch, um die Biene zu befreien. Das Insekt flog benommen im Kreis, stieß einmal gegen das Glas, fand dann die frische Luft und schoss durch die Fensteröffnung, ein laut summender
schwarzer Punkt, der vor dem Grün draußen rasch verschwand.
Müßig lehnte sie die Stirn gegen die Glasscheibe, genoss einen langen, nach Äpfeln und Blumen und Ulme schmeckenden Atemzug. Seltsamerweise empfand sie die Hitze als nicht so belastend wie sonst. Tatsächlich fühlte sie sich im Augenblick sogar sehr gut an und malte Farben auf ihre weiße Haut, enthüllte das fein gesponnene Gewebe des Hemdes, das sie sich übergestreift hatte, die winzigen Kurven und Windungen der Spitzen an den Manschetten.
Sie konnte als Rauch nach unten schweben und ihre eigenen Kleider holen, befahl sich jedoch selbst, es nicht zu tun, da sie keinen Anlass hatte zu glauben, dass die Tür ihrer Zelle nicht geschlossen und verriegelt wäre; ohne Schlüssel würde keiner eindringen können. Sie würde auf Kimber warten. In der Sonne faulenzen und auf ihn warten.
Die Spitzenmanschetten seines Hemdes fielen ihr bis weit über die Finger. Der Graf war größer als sie; die Kniehosen, die sie angezogen hatten, waren auch zu groß. Sie hatte den Bund zweimal umschlagen müssen, damit sie oben blieben.
Maricara legte den
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