Der träumende Kameltreiber (German Edition)
Kameltreiber war, dass ich auf der Suche nach Arbeit über Italien in die Schweiz gekommen sei und dass ich eine Prinzessin kennengelernt hätte, die Heidi hieße.’
‚Heidi? Die Schokoladen-Heidi? Hat diese Schlampe endlich einen Mann gefunden?’
Er hatte das Wort kaum ausgesprochen, schon flog meine Faust ohne die geringste Vorwarnung in sein Gesicht, ich hörte das Knacksen seines Nasenbeins. Er kippte nach hinten, ich stand blitzschnell auf und nahm sein Bierglas in die Hand. Es war ein großes Glas mit dickem Boden. Während das Blut schon aus seiner Nase spritzte, schlug ich ihm mit dem Glasboden noch ein paar Mal ins Gesicht und hörte jedes Mal dieses Knacksen. Sieben ist meine Lieblingszahl. Der Wirt, der inzwischen endlich meinen Kassenzettel ausgedruckt hatte, eilte zu uns, aber er war wegen seines Körpergewichts sehr langsam. Bis er mich endlich von diesem Typen losriss, schlug ich ihm noch einige Zähne aus und hatte seinen Unterkiefer zertrümmert, von seiner Nase blieb nicht viel übrig. Er lag da und heulte vor Schmerz. Keiner der Gäste wollte ihm helfen, keiner wollte mich abhalten. Der Wirt musste wohl. Und der Wirt war der Einzige, den dieser Kerl nicht in den Dreck gezogen hatte. Ich bückte mich noch zu ihm, schaute ihm tief in seine Augen, die ich verschont hatte, und sagte:
‚Du hast Glück, Junge, wärst du nicht betrunken, dann hätte ich dir was wirklich Schlimmes angetan. Du hast meine Prinzessin Schlampe genannt. Ihr Urin ist zu edel, um dich zu erreichen, ein einzelnes Haar hat mehr Wert als dein ganzes, verrottetes Wesen, ein Fingernagel von ihr ist teurer als alles, was du in deinem beschissenen Leben noch erreichen wirst. Und glaub mir, deine Kindheit mag hart gewesen sein. Du kennst aber meine nicht!’
Der Typ lag da, regungslos, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Der Wirt musste die Polizei holen, aber dafür musste er mich loslassen. Niemand im Saal wollte ihm dabei helfen. Er hielt mich am Arm fest und wählte die Nummer. Ein kräftiger Kerl, mit dem ich mich nicht hätte anlegen wollen. Aber irgendwie wollte ich ja auch keinen Ärger machen. Es kam mir vor, als hätte das alles sein müssen. Vielleicht wollte ich endlich wieder weg und brachte es nicht fertig, Heidi zu sagen, dass ich meine Familie vermisste, dass ich unglücklich war. Vielleicht hatte ich auf eine solche Gelegenheit gewartet. Eins war mir klar: Wenn die Polizei kommt, bin ich so gut wie im Flugzeug nach Hause.
Ich dachte kurz an den Professor. Er hatte mich gewarnt, in Europa keine Probleme zu machen, die verstünden keinen Spaß, die würden mich in Handschellen abführen und ins nächste Tunisair-Flugzeug setzen.
Es war exakt zehn Uhr nachts, als vor dem Wirtshaus ein Auto hielt und die Blaulichter ausgeschaltet wurden. Die Gäste wurden auf einmal interessiert, sie hatten aber keineswegs Erbarmen mit diesem liegenden und sich vor Schmerz windenden Schwein, ihre Aufmerksamkeit galt vielmehr mir. Wahrscheinlich fragten sie sich, wie ich mich aus den Fängen der Bullen befreien würde. Vielleicht wäre sogar jemand imstande, mir dabei zu helfen, einem Polizisten ein Bein zu stellen oder schnell ein Fenster aufzureißen. Aber mir war nicht nach Flucht zumute. Ich wollte endlich diese Geschichte, die so schön angefangen hatte, beenden. Und diese Methode – in Handschellen und mit Blaulicht – war mir irgendwie angenehmer, als Heidi zu sagen, ich wolle nach Hause. Ihre Fragen, ihre Tränen, ihr Bitten hätte ich nicht überwunden. Aber diese zwei schmächtigen Polizisten da, die machten mir keine Angst. Einer kam auf mich zu, der andere hielt mich in Schach und hatte die Hand am Halfter. Ein déjà-vu! Zu meinem Erstaunen schlugen sie weder zu noch evakuierten sie den Saal. Einer fragte mich ganz ruhig, was passiert sei. Ich antwortete, dass dieser Typ die Liebe meines Lebens eine Schlampe genannt hatte.
‚Das ist kein Grund, ihm die Nase zu brechen!’
Das sagte er, während er, über Charly gebückt, mit seinem Funkgerät eine Ambulanz anforderte. Als er feststellte, dass ich keine Anzeichen von Fluchtversuchen zeigte und keine Gewalt anwenden würde, kam auch der zweite Polizist lockerer auf mich zu und sagte:
‚Ihre Papiere bitte!’
Es vergingen keine zwei Minuten, bis die beiden feststellten, dass sie einen Fisch an der Angel hatten, einen kleinen zwar, aber einen illegalen Fisch im sauberen Gewässer der Schweiz!
Der Verletzte wurde abgeholt, einige Männer und Frauen im Saal wurden
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