Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Träumer

Der Träumer

Titel: Der Träumer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Schicksal, das ich tragen kann. Ich fürchte nur den Hasser in dem Träumer.«
    Da schweigt der Freund und lehnt den Kopf an die Scheibe. Er starrt wie ich ins neblige Tal hinaus und trommelt mit den Fingern auf meine Fensterbank. Es ist kein Rhythmus in dem Trommeln, aber es beruhigt sehr. Ich spüre, daß der Freund mit meine Lasten trägt.
    »Soll ich für dich zu Paulchen fahren?« sagt er endlich. »Ich werde mit ihr sprechen – über alles – und bringe dir die Klarheit.«
    Ich schüttle den Kopf. Was soll er Paulchen sagen? Daß ich sie liebe, aber nicht zu sprechen wage, weil ich ein Feigling bin, der die Worte scheut, die seiner äußerlichen Männlichkeit ein wenig Weichheit geben würden? Ach, liebster Freund, wie einfach willst du dieses Leben machen! Oder bin ich zu kompliziert, um diese Einfachheit als einen Segen zu empfinden?
    »Ich spreche selbst mit ihr«, sagt meine schrecklich flache Stimme. »Und sie wird kommen, bald … ich glaube es, weiß es ganz bestimmt. Ich danke dir, bist ein guter Kerl, mein Freund.«
    Ein fahles Leuchten durchdringt den Nebel, schwimmt wie eine Lache über dem Gebirge und saugt sich auf im Grau der eiligen Schatten. Ein Frösteln zittert durch die Bäume, und die Schwaden werden dunkel. Die Nacht kommt von den Bergen in das Tal geglitten.
    In meinem Rücken geht die Tür. Ich bin allein im Dämmer meines Traumes und streichle die Blüten vor mir in den Blumenkästen und fühle unter meinen Händen der Ersehnten samt'ne Haut.
    Verzeiht, wenn ich den Kopf in meine Hände grabe und glücklich schluchze, daß ich träumen kann …
    Und leise klingt in meinen Ohren eine süße Melodie …
    SONETT DER SEHNSUCHT
    O himmlisch ist, den Ring der Brust zu sprengen,
der des Gefühls erahnte Freiheit dämmte,
daß endlich nichts die hohe Seele hemmte
und wir den Mensch im Menschlichen erkennen.
    Der Trunkene reißt schaudernd sich vom Krug,
der Grübler trinkt sich Sonne aus dem Wein,
ich aber bade meine Seele rein
und kühl die Schwären, die der Zweifel schlug,
    als du, Ersehnte, nur mein Herz erträumtest …
doch flammten Opferfeuer am Altare …
Wenn du dich aus dem Dunkel zu mir bäumtest,
    baut ich den heil'gen Tempel für das Wahre,
und eine Harfe klingt im Menschen wider,
träumt ich in deinem Schoß das Glück der Lieder.
    Oh, süßer Wahn, in den der Mensch sich hüllt – ich schlürfe ihn wie einen Becher Nektartrank – und auf dem See der Sehnsucht gleite ich dahin und führe kühn den Kahn durchs Flammentor des Lebens.
    Ich bin so glücklich, Paulchen, ach, so himmlisch glücklich!
    Wie wär' ich einsam, wäre ich kein Träumer …
    Vor einen Spiegel hab' ich mich gesetzt und schaue mir mein Antlitz an. Es ist mir heute fremder als je zuvor, weil es gelöst und menschlicher in der blanken Scheibe schwimmt. Ich schaue meine Augen an, die Stirn, die sich gar nicht geistig zu den Haaren hebt, und schüttle das Haupt, da ich erkennen muß, daß eher sich die Meere leeren, als daß man hinter diesen Augen, dieser Stirn die drängenden Gedanken und Gefühle erahnen könnte.
    Es ist dem Menschen schwer gemacht, sich selbst ganz zu erkennen. Mancher starb schon im Wahnsinn, als den Sinn des eig'nen Lebens ihm sein Geist gewährte. Ja, schaudernd wendet sich der Mensch ab vor sich selbst, denn für den Durchschnitt ist der letzte Lebenshalt der Selbstbetrug, da jedes Fallen einer Maske uns mit bleichen Lippen zeigt, wie gierig dem Erfolg die Minderwertigkeit entgegentaumelt.
    Oh, ich bin nicht ein solcher Gaukler – oder bin ich's und will's nicht sein?
    Nein, ich will in diesem Spiegel einmal selbst mich sehen … und sehe doch nur einen Menschen, der so schrecklich nichtig ist, daß ich voll Grauen dieses Spiegelbild zertrümmern möchte. Ja, diese Nichtigkeit des Menschen ohne Maske macht den Wahnsinn unserer Menschheit aus, denn wer es spürt, wie wenig er in Wahrheit ist, der wird sich Tag und Nacht nicht Ruhe gönnen, wenigstens als etwas zu erscheinen. Ich will dies nicht – o nein, ich bin ja stolz darauf, daß ich nichts bin und vielleicht mehr, viel mehr als alle anderen im Stolz mich wiegen kann, denn sind sie alle nichts, so bin ich immerhin ein Träumer. Ha, das ist eine Wonne, außerhalb von allem zu stehen, im freien Raum mir bunte Bilder zu ergreifen und mit den Teppichen aus den Gesängen von Tausendundeiner Nacht ins Reich der Feen zu entschweben. Wer kann dies noch in unserer mechanisierten Welt? Wer hat im Stampfen all der Kolben, im Gedröhn der

Weitere Kostenlose Bücher