Der Trakt
CerebMed einzudringen.
Egal. Nicht aufgeben, nur das nicht!
Nach den ganzen Wirren der letzten Tage, nachdem sie es zwischenzeitlich tatsächlich sogar für möglich gehalten hatte, dass Lukas nur in ihrer Phantasie existierte, würde sie jetzt, wo sie ihn wiederhatte, nicht aufgeben, solange sie noch einen Finger bewegen konnte.
»Wenn Sie schon da sind, sollen Sie auch sehen, wofür Sie sich haben kaufen lassen. Folgen Sie mir jetzt.«
Haas wiederholte die Prozedur mit Code und Daumen an der Tür.
Der Raum, den sie betraten, war etwa 100 Quadratmeter groß. Die Wände in sterilem Weiß strahlten Krankenhausatmosphäre aus, der Boden war mit grauem Linoleum ausgelegt. Es gab drei Tischgruppen mit jeweils vier Stühlen und eine Fernsehecke. Deckenhohe, ebenfalls weiße und fast leere Regale nahmen die gesamte Wand zu ihrer Linken ein.
»Unsere Patienten befinden sich eine Etage tiefer«, erklärte Haas knapp. »Wir nennen diesen Bereich den Trakt. Wenn Sie mir also folgen wollen.«
Mit zwei Schritten stand er vor dem Regal und schob eine der Kisten in einem Fach in Brusthöhe ein Stück zur Seite. Dahinter lag etwas, das eine altmodische Rechenmaschine sein konnte. Haas langte in das Fach und tippte auf dem Gerät herum, bis das gleiche Summen zu hören war, wie Sibylle es schon an der Stahltür gehört hatte. Ein Teil des Regals schob sich fast geräuschlos ein Stück nach hinten, stoppte kurz, glitt dann zur Seite weg und gab eine türgroße Öffnung frei.
Ohne Zögern ging Haas hindurch, Sibylle folgte ihm. Über eine schmale, mit Neonröhren beleuchtete Treppe gelangten sie ein Stockwerk tiefer wieder in einen breiten, langen Flur mit mehreren Türen auf beiden Seiten.
Etwa in der Mitte des Ganges blieb Haas vor einer Doppeltür stehen. Er wandte sich an Robert und sagte: »Bring Frau Aurich jetzt rüber.«
Sibylle sah zu ihrem Sohn und spannte ihre Muskeln an. Wenn der Kerl versuchen würde, sie wegzubringen, würde sie sich mit Händen und Füßen zur Wehr setzen. Aber anstatt zu ihr zu kommen, nickte Robert und verschwand durch eine Tür auf der rechten Seite. Haas stieß die unverschlossenen Türflügel vor sich auf und ging mit Lukas hindurch.
Als Sibylle verwirrt und nur zögerlich den Raum betrat, legte sich eine Hand auf ihren Rücken und schob sie mit leichtem Druck weiter. Sibylle fuhr herum und sah direkt in die leblosen Augen von Hans. »Bitte«, sagte er, und es klang seltsam unbeholfen. Sibylle ignorierte das Frösteln, das ihr über die Haut lief, und ging weiter.
Die Wände dieses Raumes waren mit dunklem Holz vertäfelt. Nach ein paar Metern blieb Sibylle erstaunt stehen. Kleine Nischen mit verdeckten Lampen sorgten in gleichmäßigen Abständen für eine sanfte, indirekte Beleuchtung, Deckenlampen gab es keine bis auf einen Strahler, der ein Objekt in der Raummitte anleuchtete: Es bestand aus einer leicht geschwungenen, schwarzen Liegefläche auf einem dicken Sockel, die ein hypermoderner Zahnarztstuhl hätte sein können. Um das Kopfteil herum waren in einem Halbkreis kompliziert aussehende Apparaturen und Monitore aufgebaut. Etwa zwei Meter weiter im Hintergrund stand ein schwarz glänzender Schrank. Ein armdicker Kabelstrang verlief auf dem Boden zwischen den Gerätschaften und diesem Schrank.
Wie im Science-Fiction-Film.
Am erschreckendsten fand Sibylle allerdings das netzartige Gebilde in Form eines Helmes, das an einer Art Galgen über der Liegefläche hing.
»Das – ist Synapsia!«, verkündete Professor Haas, und zum ersten Mal glaubte Sibylle Emotionen in seiner Stimme zu hören. Sie klang stolz.
»In Anbetracht der Tatsache, dass wir zwei neue Probanden haben, ist es wohl gerechtfertigt, Ihnen vorher zu erklären, an welch wegweisender wissenschaftlicher Arbeit Sie sich beteiligen werden.«
Hinter ihnen war ein Geräusch zu hören, und der Professor sah an ihnen vorbei. »Da ist sie ja. Jane, darf ich Ihnen Sibylle Aurich vorstellen?«
Sie fühlte sich zuerst nicht angesprochen, aber als Rosie hinter ihr einen Schrei ausstieß, wirbelte sie herum, und ihr stockte der Atem.
Wenige Meter vor ihr stand ein Wesen, das aussah wie eine für einen Horrorfilm zurechtgemachte Leiche. Die Frau war sehr abgemagert, ein weißer Morgenmantel hing schlaff über ihren knochigen Schultern. Das Gesicht war wächsern, kein Muskel darin bewegte sich. Der Mund stand einen Spalt weit offen, ein Speichelfaden hing aus einem Mundwinkel herab. Es schien, als seien alle Muskeln in diesem
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