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Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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strich, während eine Stimme ruhig auf sie einredete und Worte zu ihr sagte, die sie nicht verstand, erst da konnte sie aufhören zu schreien. Auch Rösslers Stimme verstummte, und die plötzliche, absolute Stille legte sich über Sibylle wie eine dicke, weiche Decke.
    Sie hielt die Augen geschlossen, spürte die Hand, die unermüdlich über ihren Hinterkopf streichelte, und ihr wurde bewusst, wie sehr sie auch die körperliche Nähe zu einem Menschen vermisste. Noch enger schmiegte sie sich an ihn heran und genoss dieses Gefühl.
    Wie lange mochte sie so gelegen haben, als Rössler sie mit sanftem Druck ein wenig von sich wegschob, um sie ansehen zu können? Waren es nur Sekunden gewesen oder Minuten? In seinen Augen konnte sie Neugierde sehen, einen forschenden Blick, der wohl in ihr nach Antworten suchte. Zum ersten Mal nahm sie bewusst war, dass seine Augen graublau waren. Sie zog den Kopf noch ein Stück weiter zurück und betrachtete dieses schmale Gesicht, das nicht schön, sondern mit den deutlich hervortretenden Wangenknochen eher markant war.
    So allein … Allein gelassen, verraten von allen, die mir mal was bedeutet haben.
Und da saß dieser Mann, der ihr helfen wollte, neben ihr auf dem Bett und hielt sie im Arm. Im nächsten Augenblick kamen ihre Gesichter aufeinander zu, trafen sich ihre Lippen zu einem Kuss, erst zärtlich tastend, dann neugierig erforschend, und schließlich bestimmt und fordernd. Es fühlte sich gut an und richtig, Sekunden lang.
    Dann nicht mehr.
    Sie zog den Kopf zurück, sah seinen überraschten Blick und rückte ein Stück von ihm ab. »Nein, sorry, das … ist nicht richtig. Es fühlt sich … – es ist falsch. Ich bin verheiratet. Bitte, lass uns weitermachen mit dieser Aufnahme.« Sie zeigte auf das Diktiergerät.
    Zu ihrer Erleichterung sagte er nichts dazu, er stand einfach nur wortlos auf und setzte sich wieder auf den Stuhl.
    Sibylle dachte daran, dass auch ihr Gefühlsausbruch aufgezeichnet worden war, aber die Aufnahmen waren sowieso nur für Christian, und der hatte die Situation ja gerade in natura miterlebt.
    »Christian, ich … ich weiß nicht, was ich erzählen soll«, sagte sie leise. »Vielleicht fragst du mich besser, was du wissen möchtest?«
    »Geht es denn wieder?«, wollte er wissen.
    »Ja, es geht wieder, ja.« Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: »Danke.«
    »Gut, also … dann erzähl mir doch, wann und wo du deinen Mann kennengelernt hast.«
    Sibylle brauchte nicht lange nachzudenken, die Szene war ihr sofort präsent. »Er ist mir frontal ins Auto gefahren.« Sie musste kurz lächeln. »Ich stand auf einem Supermarktparkplatz und wartete auf einen freien Platz. Hannes kam mir entgegen und musste einem anderen Wagen ausweichen, der gerade rückwärts aus einer Parklücke herausfuhr. Auf einmal stand er direkt vor mir, und wir haben uns durch die Windschutzscheiben angesehen. Ich sehe ihn noch genau vor mir, diesen ungläubigen Blick. Dann hat sein Auto einen Satz gemacht und ist frontal auf meinen Wagen geknallt. Erst hat er behauptet, seine Schuhe müssten rutschig gewesen sein, sonst wäre er nie von der Kupplung abgerutscht. Später hat er mir aber gestanden, dass er die Kupplung einfach losgelassen hatte, ohne es zu merken, als er mich gesehen hat.«
    »Aha.«
    »Tja, war wohl so was wie Liebe auf den ersten Blick.«
    »Und bei dir?«
    »Bei mir hat es ein bisschen länger gedauert, aber nachdem wir uns ein paarmal gesehen hatten … – Hannes ist kein Schönling und auch kein feuriger Romanheld, aber man kann sich felsenfest auf ihn verlassen. Er ist absolut ehrlich und –« Sie zögerte, doch bevor sie den Gedanken weiterverfolgen konnte, der sich gerade in den Vordergrund drängen wollte, fragte Christian: »Und was machst du beruflich?«
    Die Ehrlichkeit meines Mannes ist ein Thema, das ihm nicht gefällt …
    »Ich bin bei einem Versicherungsmakler angestellt.«
    Ihr fiel ein, dass sie noch nicht versucht hatte, ihren Chef Armin Braunsfeld anzurufen.
    Christian erriet wohl ihre Gedanken, denn er schüttelte den Kopf. »Ich an deiner Stelle würde mich da nicht melden. Dein Mann und deine beste Freundin haben dich nicht erkannt. Warum denkst du, dein Chef würde dich als Sibylle Aurich erkennen?«
    »Vielleicht, weil er im Gegensatz zu Hannes und Elke nicht in die Sache verwickelt ist?«
    Christian neigte den Kopf leicht zur Seite. »Und was glaubst du, wird dein Chef als Erstes tun, wenn du dort anrufst? Nachdem er mit

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