Der Trakt
entfernt, den Straßennamen weiß ich nicht. Hotel Krombusch
.
« Im gleichen Moment wurde ihr bewusst, dass sie jetzt auch Christian Rössler verraten hatte. Sie wollte noch etwas hinzufügen, aber Wittschorek kam ihr zuvor.
»Ich weiß, wo Sie sind«, sagte der Kommissar ruhig und verblüffte sie damit ein weiteres Mal.
»Aber Sie haben mich doch vorhin gefragt … ich meine, woher wissen Sie das?«
»Wie Sie selbst schon bemerkt haben, habe ich sie vorhin bewusst laufen lassen. Glauben Sie, das hätte ich getan, ohne dafür zu sorgen, dass ich weiß, wohin Sie gehen?«
»Ich … Herr Wittschorek, bitte, ich verstehe das alles nicht mehr, aber … aber ich möchte mit der Polizei zusammenarbeiten, weil ich alleine nichts ausrichten kann.«
»Sie sind doch gar nicht alleine.«
Natürlich! Wenn sie uns beobachtet haben, dann wissen sie auch … – und wenn Rösslers Schwester tatsächlich entführt worden ist, muss man ihn doch bei der Polizei kennen.
»Hören Sie«, wurden ihre Gedanken von Wittschorek unterbrochen, »was ich Ihnen jetzt sage, würde ich abstreiten, wenn Sie es jemandem erzählen. Ich denke, es ist besser, wenn Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht stellen.«
Was? Wie bitte?
»Mein Kollege ist ganz scharf darauf, Sie in die Finger zu bekommen. Haben Sie eine Vorstellung davon, was mit Ihnen passiert, wenn Sie sich stellen?«
»Nein, ich weiß es nicht, aber ich bin bereit, alles –«
»Sind Sie Sibylle Aurich?«
»Ich weiß ja mittlerweile, dass Sie –«
»Antworten Sie mir: Sind Sie Sibylle Aurich? Ja oder nein?« Er redete nun sehr laut, schrie sie fast an, so dass sie erschrocken antwortete: »Ich … ja, ich bin Sibylle Aurich.«
Sofort wurde seine Stimme wieder ruhig.
»Nach dieser Antwort wird mein Kollege den diensthabenden Staatsanwalt anrufen und ihm schildern, dass wir eine Frau auf der Dienststelle sitzen haben, die darauf besteht, die verschwundene Sibylle Aurich zu sein, obwohl sie ganz anders aussieht und obwohl der Ehemann und auch die beste Freundin der Vermissten bestreiten, dass es sich bei dieser Frau um Sibylle Aurich handelt. Dann wird er ihm berichten, dass Sie eindeutiges Täterwissen haben und um einen Unterbringungsbeschluss bitten, den er mit ziemlicher Sicherheit auch bekommen wird.«
»Einen was? Ist das ein Haftbefehl?«
»Nein, das ist kein Haftbefehl, sondern der richterliche Beschluss, die Person, um die es geht, in eine Einrichtung einzuweisen, die diese Person ohne fremde Hilfe nicht wieder verlassen kann – die geschlossene Abteilung des Bezirksklinikums.«
»Aber, das ist … ich meine, das kann er doch nicht so einfach tun.« Sibylle spürte, wie die Panik wieder näher kam, die seit ihrer Flucht am Vortag immer um sie zu kreisen schien, bereit, sie jederzeit anzufallen.
»Er kann das auch nicht einfach so tun, er muss es sich durch ein medizinisches Gutachten absichern lassen.«
Das beruhigte sie ein wenig. »Aber das wird er nicht einfach so bekommen, oder? Schließlich muss mich dafür ein Arzt untersuchen, und der wird feststellen, dass ich kerngesund bin.«
»Nein, das wird er nicht«, entgegnete Wittschorek im gleichen ruhigen Tonfall. »Sie behaupten, eine Frau zu sein, die Sie allem äußeren Anschein nach nicht sind, was alleine schon für einen entsprechenden psychiatrischen Befund reichen dürfte. Anders als mein Kollege ziehe ich dabei sogar in Betracht, dass es stimmen könnte, was Sie sagen, auch wenn ich keine Ahnung habe, wie das möglich sein sollte. Aber das spielt keine Rolle. Zu allem Überfluss behaupten Sie aber auch, einen Sohn zu haben, den Sibylle Aurich auf gar keinen Fall hat. Das kann selbst ich Ihnen beim besten Willen nicht glauben. Verstehen Sie jetzt Ihre Situation?«
Sibylle hatte das Gefühl, plötzlich keine Wirbelsäule mehr zu haben, die sie stützte. Sie ließ sich auf das Bett neben Rösslers Tasche sinken und sagte leise: »Ich … ich bin mir nicht mehr so sicher, was den Jungen angeht. Ich …«
Die Tür wurde geöffnet, und Rössler betrat das Zimmer, eine prall gefüllte Tüte in der Hand.
Vor dem ersten Bett blieb er stehen und sah sie fragend an. Sibylle überlegte einen kurzen Moment, was sie tun sollte, dann sagte sie in den Hörer: »Mein Begleiter ist gerade zurückgekommen, Herr Kommissar.« Sie sah Rössler dabei an. War er zusammengezuckt oder hatte sie sich das nur eingebildet? Den Hörer weiterhin am Ohr sagte sie: »Es ist Kriminalkommissar Wittschorek, kennen Sie
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