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Der Trakt

Der Trakt

Titel: Der Trakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
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ziemlicher Sicherheit entweder gestern oder heute einen Anruf von deinem Mann erhalten hat? Oder von der Polizei?«
    Sibylle wusste, worauf er hinauswollte.
Hannes hat Braunsfeld bestimmt schon angerufen, er ist viel zu gewissenhaft. Also bleibt nur ein Weg.
    »Du hast recht«, sagte sie. »Ich werde ihn nicht anrufen. Ich gehe einfach unangemeldet zu ihm. Er muss mich sehen. Wenn er mich sieht, ist alles gut. Er wird mich erkennen, auch wenn die mein Aussehen auf irgendeine Art verändert haben.«
    Mit einigen schnellen Bewegungen schlüpfte sie in die Mokassins und stand auf. Auch wenn es ihr im Moment sehr schwerfiel, mehrere Gedanken zu einem zusammenhängenden, logischen Gebilde zu verknüpfen, auch wenn sich über jedes gedankliche Fragment immer wieder das Bild eines kleinen Jungen schob, das vielleicht ein Trugbild war, gab ihr die kleine Chance, doch noch jemanden aus ihrer gewohnten Welt zu finden, der sie erkennen und ihr glauben würde, neue Energie.
    Auch Christian erhob sich von seinem Platz. Sie standen sich gegenüber, Sibylle sah ihm an, dass er von ihrer Idee alles andere als begeistert war, aber sie konnte unmöglich in diesem Zimmer sitzen bleiben und in aller Ruhe ihr Leben erzählen, während am anderen Ende der Stadt ein Mensch in seinem Büro saß, der sie vielleicht wieder in ihr Leben zurückbringen konnte.
    »Christian, ich kann jetzt nicht hierbleiben, verstehst du das nicht?« Sie legte ihm eine Hand auf den Oberarm. »Ich muss jetzt dahin und rausfinden, ob mein Chef mich auch verleugnet. Kommst du mit?«

24
    »Am besten gehen wir bis zur nächsten größeren Straße und nehmen uns ein Taxi«, schlug Christian vor. »Es hat keinen Sinn, den ganzen Weg bis zu meinem Auto zurückzugehen. Und wer weiß, vielleicht würden wir dabei sogar noch diesem Grohe in die Arme laufen.«
    Sibylle war einverstanden. Sie wäre in diesem Moment mit allem einverstanden gewesen, was sie schnellstmöglich zu ihrem Chef brachte. Ihre Gedanken kreisten um Armin Braunsfeld, und sie sah den großen, fast völlig grauhaarigen Mann vor sich, wie er hinter seinem modernen Schreibtisch saß, den Bauch gegen die Tischkante gedrückt. ›Kleiner Rettungsring‹ nannte er das selbst, allerdings nicht ohne ein verschämtes Lächeln. Er war ein Genussmensch, ihr Chef, er hatte fast immer gute Laune, und er mochte sie sehr, das wusste sie. Wenn es noch jemanden gab, der ihr beistehen würde, der ihr helfen würde, mit allem, was ihm zur Verfügung stand, dann war es Armin Braunsfeld.
    Ohne Vorwarnung verschwand das Bild, glitt ab und machte Platz für die Erinnerung an zwei graublaue Augen, dicht vor ihrem Gesicht, die sie neugierig betrachteten. Es waren Christian Rösslers Augen. So hatte er sie angesehen, nachdem sie sich geküsst hatten.
Warum gerade jetzt dieser Kuss … als ob ich nicht wirklich schon genug Probleme hätte. Aber vielleicht gerade deshalb. Diese Nähe … wenigstens ein einziger Mensch, der nicht gegen mich ist, der Verständnis hat und zumindest ansatzweise weiß, dass mit mir irgendwas Unbegreifliches passiert ist.
    Sie überquerten den Bismarckplatz, gingen an der beeindruckenden Front des Theaters vorbei und stießen auf die Jakobstraße.
    »Hier müssten wir relativ schnell ein Taxi bekommen«, sagte Christian.
    »Ja«, antwortete sie, sonst nichts. Sie dachte an Rosemarie Wengler mit den feuerroten Haaren. Rosie, die ihr erst geholfen und sie dann an die Polizei verraten hatte.
Aber warum?
    »Was glaubst du, Christian, wieso hat Rosie die Polizei angerufen, nachdem sie mich bei Elke abgesetzt hat? Wenn sie tatsächlich zu denen gehört, die mir das angetan haben, kann sie doch unmöglich wirklich wollen, dass ich verhaftet und verhört werde. Sie müsste doch befürchten, dass ich den Polizisten etwas verraten könnte, vielleicht sogar, ohne es selbst zu wissen? Und selbst wenn ich nichts verraten kann – was macht es für einen Sinn?«
    Christian sah sie überrascht an. »Gute Frage. Vielleicht wollte sie … oh, da kommt ein Taxi!«
    Von links kam ein cremefarbener Mercedes mit einem Taxischild auf dem Dach angefahren. Christian setzte einen Fuß auf die Straße und hob den Arm, der Fahrer bemerkte ihn, lenkte den Wagen an den Straßenrand und bremste ab, so dass er direkt neben Christian zum Stehen kam.
     
    Aus Lautsprechern, die sie nicht sehen konnte, dudelte leise ein deutscher Schlager. Der Taxifahrer drehte sich zu ihnen um und lächelte Sibylle an. Sie dachte, dass sie selten

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